Nr. 31 Ministerrat (19. Februar 1867–15. Dezember 1867)

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Nr. 31 Ministerrat, Wien, 16. Juni 1867

RS. Reinschrift fehlt; Abschrift,

Ministerratsprotokolle, Karton 33 (Abschriften Prof. Redlich) ; Wortlaut und Datum der Ah. Entschließung: Kabinettskanzlei, Protokoll 1867.

P. Protokoll Meyer; VS. Vorsitz Kaiser; anw. anwesend Beust, Komers, John, Becke, Taaffe.

  • I. Gesetzentwurf über die Ministerverantwortlichkeit.
  • II. Gesetzentwurf über die Delegationen.
  • III. Ermächtigung zur sofortigen Sistierung der Befestigungsarbeiten.
  • 2411 158 Ministerratsprotokoll vom 16. Juni 1867 unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.
    I. Gesetzentwurf über die Ministerverantwortlichkeit

    I. Der Ministerpräsident Freiherr v. Beust gab Kenntnis von zwei Abänderungen, welche nachträglich noch die Ministerkonferenz an dem Gesetzentwurfe über die Verantwortlichkeit der Minister vorzunehmen beschlossen habe2.

    Dieselbe habe sich nämlich dahin geeinigt, dass der zweite Absatz des § 10 folgende Fassung zu erhalten habe: „Die gesetzliche Folge dieser Verurteilung ist immer die Entfernung des Verurteilten aus dem Rate der Krone, es kann jedoch auch auf Versetzung des schuldig Befundenen in den Ruhestand mit dem normalmäßigen oder einem geringeren Personalbezuge oder auf gänzliche Entlassung aus dem Staatsdiente erkannt werden.“ Infolge dieser Bestimmung des § 10 käme sodann als § 12 ein neuer Paragraph, und zwar folgende Fassung, einzuschalten: „Der Kaiser wird zugunsten eines schuldig befundenen Ministers das Recht der Begnadigung und, falls auf Entlassung aus dem Staatsdienste erkannt wurde, das Recht auf Wiederanstellung oder auf Erteilung eines Ruhegenusses nicht ohne einen hierauf gestellten Antrag des Hauses der Abgeordneten ausüben.“

    Freiherr v. Beust bemerkte, die Konferenz habe sich zu dieser Abänderung entschlossen, weil man damit dem Vorwurfe begegnen wollte, als könne nach der früheren Fassung ein selbst als schuldig befundener Minister ganz straflos ausgehen.

    Se. Majestät geruhten zu erklären, dass gegen eine Änderung des § 10 und die Aufnahme eines neuen § 12 kein Anstand obwalte, wenn aus diesen beiden Paragraphen alles eliminiert werde, was auf Versetzung in den Ruhestand Bezug habe. Die Versetzung in den Ruhestand könne unter keinen Umständen als eine durch ein Gericht zu verhängende Strafe eines Beamten angesehen werden, es besitze hiezu keine Kompetenz und diese dürfte auch dem Gerichtshofe, welcher über die Verantwortlichkeit der Minister zu entscheiden habe, nicht eingeräumt werden3.

    Infolge dieser Bemerkung Sr. Majestät wurde beschlossen, den Absatz 2 des § 10 und den § 12 in folgender Fassung in den Entwurf aufzunehmen. § 10, Absatz 2: „Die gesetzliche Folge dieser Verurteilung ist immer die Entfernung des Verurteilten aus dem Rate der Krone, es kann jedoch auch auf gänzliche Entlassung des schuldig Befundenen aus dem Staatsdiente erkannt werden.“ § 12: „Der Kaiser wird zugunsten eines schuldig befundenen Ministers das Recht der Begnadigung nicht ohne einen hierauf gestellten Antrag des Hauses der Abgeordneten ausüben.“4

    II. Gesetzentwurf über die Delegationen

    II. Der Ministerpräsident Freiherr v. Beust bemerkte, die Ministerkonferenz habe nach reiflicher Überlegung sich entschlossen, in dem früheren Gesetzentwurfe über die Delegationen den § 2 zu ändern5.

    Nach diesem hätte das Haus der Abgeordneten vierzig Mitglieder in die Delegation aus seiner Mitte zu wählen gehabt. Um allen Interessen gerecht zu sein und namentlich jedem Kronlande eine angemessene Vertretung in der Delegation zu sichern, habe man sich über folgenden Wahl- und Verteilungsmodus geeinigt. § 2 hätte nämlich zu lauten: „Das Herrenhaus hat die auf dasselbe entfallenden zwanzig Mitglieder der Delegation mittels absoluter Stimmenmehrheit aus seiner Mitte zu wählen. Die auf das Haus der Abgeordneten entfallenden vierzig Mitglieder werden in der Weise gewählt, dass die Abgeordneten der einzelnen Landtage nach dem nachstehenden Verteilungsmodus die Delegierten entsenden, wobei ihnen freisteht, dieselben aus ihrer Mitte oder aus dem Plenum des Hauses zu wählen. Es haben mittels absoluter Stimmenmehrheit zu wählen die Abgeordneten aus

    Der Schluss zu diesem Verteilungsmodus liege darin, dass jedem der 17 Kronländer vorab ein Delegierter zugewiesen wurde und die übrig bleibenden 23 Delegierten nach der Anzahl der Reichsratsmitglieder eines jeden Kronlandes auf dieselben zu verteilen kommen.

    Ferner, bemerkte der Ministrpräsident, habe die Konferenz beschlossen, die in dem ursprünglichen Entwurfe über den Reichssenat enthaltenen §§ 11, 12 und 13 in den Entwurf des Gesetzes über die Delegationen, wo sie fallen gelassen wurden, aufzunehmen, weil diese Lücke eines Mangels von Bestimmungen über Verantwortlichkeit des Reichsministeriums umso mehr in die Augen fallen müsste, als sie in dem 67er Elaborate enthalten seien. Die §§ 11 und 12 seien wörtlich aus dem Elaborate entnommen und § 13 sei nichts anderes, als eine Ergänzung dieser Bestimmungen.

    Se. Majestät geruhten dagegen keine Einwendung zu erheben und seine Ermächtigung zur Einbringung beider Gesetzentwürfe auszusprechen6.

    III. Ermächtigung zur sofortigen Sistierung der Befestigungsarbeiten

    III. Der Kriegsminister Freiherr v. John erbat sich von Sr. Majestät die mündliche Ermächtigung, schon morgen, Montag, die Befestigungsarbeiten einstellen zu dürfen, behielt sich jedoch vor, mit aller Beförderung einen au. Vortrag hierüber zu erstatten.

    Sr. Majestät geruhten diese Ermächtigung zu erteilen7.

    Wien, 16. Juni 1867. Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 8. Juli 1867.

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    2 Fortsetzung von MR. v. 15. und 16. Juni 1867; zum vorliegenden Protokoll siehe Zentralverwaltung 3/3, 319.
    3 Siehe dazu Einleitung XXX.
    4 Fortsetzung im letzten Satz des folgenden Tagesordnungspunktes II.
    5 Fortsetzung von MR. v. 15. und 16. 6. 1867/VII.
    6 Beust brachte beide Gesetzentwürfe zusammen mit jenen über die Abänderung des Grundgesetzes über die Reichsvertretung und dessen § 13 am 17. 6. 1867 im Abgeordnetenhaus ein, (9. Sitzung) 183; Druck aller Regierungsentwürfe v. 18. 6. 1867; mit Vortrag v. 18. 6. 1867, Präs. 149, legte er die vier im Reichsrat eingebrachten Entwürfe dem Kaiser vor, der den Vortrag mit Ah. E. v. 22. 6. 1867 zur Kenntnis nahm, Hhsta., Kab. Kanzlei, KZ. 2405/1867.Das Gesetz über die Ministerverantwortlichkeit wurde im Zug der parlamentarischen Behandlung wesentlich umgearbeitet; die Sanktion erfolgte am 25. 7. 1867, siehe dazu die Bemerkungen des Kaisers in MR. v. 27. 7. 1867/I ; Publikation Rgbl. Nr. 101/1867; Bernatzik, Verfassungsgesetze Nr. 128; Brauneder, Die Verfassungsentwicklung in Österreich 1848 bis 1918. In: Rumpler – Urbanitsch (Hg.), Habsburgermonarchie 7/1, 176; Haider, Verfassungsausschuss 98−103; Kolmer, Parlament und Verfassung 1, 282−285; Rumpler, Parlament und Regierung Cisleithaniens 1867 bis 1914. In: Rumpler – Urbanitsch (Hg.), Habsburgermonarchie 7/1, 680 f.; Stourzh, Dezemberverfassung 244; Walter, Zentralverwaltung 3/3, 307.Zum Gesetz über die Delegationen Fortsetzung MR. v. 28. 10. 1867/I .
    7 Das Kriegsministerium plante die Errichtung von zehn Forts rund um Wien und hatte mit der Errichtung schon begonnen. Die Vertreter der Stadt Wien sprachen sich dagegen aus, weil dadurch die Erweiterung der Stadt und die Donauregulierung gefährdet seien, vgl. die Eingaben an den Kaiser, zit. MR. v. 21. 2. 1867/II, Anm.14. Eine Interpellation Mühlfelds im Reichsrat, Prot. Reichsrat AH. 23. 5. 1867 (2. Sitzung) 7 f., wurde im Ministerrat v. 24. 5. 1867/II und im MR. v. 1. 6. 1867/I besprochen (Protokolle nicht erhalten), darauf folgte die Interpellationsbeantwortung durch John, Prot. Reichsrat AH. 3. 6. 1867 (4. Sitzung) 23 f. Die Sache wurde jedoch mit dem Ausgleich in Verbindung gebracht, indem die Finanzierung der Befestigungsarbeiten als gemeinsame Angelegenheit angesehen wurde, und es wurde eine Regierungserklärung vorbereitet, MR. I v. 13. 6. 1867/I, MR. II v. 13. 6. 1867/II und MR. v. 15. und 16. 6. 1867/III (Protokolle nicht erhalten). Nachdem der Kaiser in der vorliegenden Sitzung die Ermächtigung zur Einstellung der Arbeiten erteilt hatte, gab Beust am 17. 6. 1867 die Regierungserklärung ab, Prot. Reichsrat AH. 183 (9. Sitzung). Tags darauf erstattete derKriegsminister den Vortrag v. 18. 6. 1867, Präs. 2355, mit der Bitte, die Befestigungsarbeiten einstellen zu dürfen, bis der künftig zur Behandlung der gemeinsamen Angelegenheiten des Reiches bestimmte Vertretungskörper die Bewilligung der Mittel für die Sicherstellung der Reichshauptstadt verfassungsmäßig erwogen hat, was der Kaiser mit Ah. E. v. 19. 6. 1867 genehmigte, Ka., MKSM. 39-3/1/1867. Siehe dazu Die Presse v. 18. 6. 1867, 1; Neue Freie Presse v. 18. 6. 1867, 1; HummelbergerPeball, Die Befestigungen Wiens 92 ff.

    How to cite

    Die Ministerratsprotokolle 1848–1918 (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/mrp-static/MRP-3-0-01-0-18670616-P-0031.html)