Nr. 225Ministerrat (1. Jänner 1868–21. November 1871)
RS.Reinschrift und bA.; P. Hueber; VS.Vorsitz Taaffe; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend Taaffe (15. 5.), Plener 28. 5., Hasner 29. 5., Potocki 29. 5., Giskra 21. 5., Herbst 13. 6., Brestel, Berger.
Der Finanzminister beabsichtigt, nachstehende vom Reichsrate beschlossene Gesetze Sr. Majestät mit der au. Bitte um Sanktionierung zu unterbreiten:
I. SteuerwesenVerzehrungssteuern wegen der Wein- und Mostverbrauchsteuer in Vorarlberg2,
II. FinanzwesenBudget wegen der Nachtragskredite pro 18693,
III. GeldwesenMünzwesen wegen Ausprägung von Silberscheidemünzen4,
IV. SteuerwesenStempelgebühren wegen der Stempel- und Gebührenbefreiung bei Erneuerung der beim Brande in Stanislau zugrunde gegangenen Gerichtsakten5,
V. BesitzverhältnisseGrundentlastung wegen der Gebührenbefreiung in Grundentlastungssachen6,
VI. SteuerwesenStempelgebühren wegen der Gebührenbefreiung der Verhandlungen aus Anlass der Aufhebung und Ablösung des Propinationsrechtes7,
VII. EisenbahnlinienZinsgarantie wegen Refundierung der Staatsgarantieschuld der böhmischen Westbahn8,
VIII. SteuerwesenGrundsteuer wegen der Grundsteuer9, endlich
IX. SteuerwesenErwerb-, Einkommensteuer den Beschluss des Steuerreformausschusses des Abgeordnetenhauses10.
Die Konferenz war hiemit einverstanden.
X. BautenAnleihen Der Minister des Innern beabsichtigt, sich die Ah. Sanktion für den vom Reichsrate beschlossenen Gesetzentwurf wegen Aufnahme eines Anlehens aus dem Bukowinaer griechisch-orientalischen Religionsfonds zum Zwecke der Herstellung eines Regierungsgebäudes in Czernowitz au. zu erbitten11.
Die Konferenz war hiemit einverstanden.
XI. EisenbahnlinienÜbereinkommen Der Handelsminister gab sein Vorhaben [] Ah. Sanktion au. zu erbitten [] für den Gesetzentwurf für die Eisenbahn Lupkow–Przemyśl12,
XII. EisenbahnlinienÜbereinkommen für die Eisenbahn Villach–Brixen und St. Peter–Fiume13,
XIII. EisenbahnlinienÜbereinkommen für die Eisenbahn Bludenz–Feldkirch–Bregenz14,
XIV. EisenbahnlinienÜbereinkommen für das Übereinkommen in Betreff der Franz-Josefs-Bahn15,
XV. EisenbahnlinienÜbereinkommen für das Übereinkommen in Betreff der Umstaltung der Linz–Budweiser Pferdebahn in eine Lokomotivbahn16, endlich
XVI. EisenbahnwesenKonzession für den Gesetzentwurf wegen 30-jähriger Steuerbefreiung bei Eisenbahnkonzessionen17.
Die Konferenz war hiemit einverstanden.
XVII. JustizwesenNotariatswesen Der Justizminister beabsichtigt, sich die Ah. Sanktion au. zu erbitten für den Beschluss des Ausschusses des Abgeordnetenhauses in Betreff der Notariatsordnung18,
XVIII. JustizwesenNotariatswesen für den Gesetzentwurf wegen Erleichterungen bei Erlangung von Notariaten19, und
XIX. MilitärGerichtswesen für den Gesetzentwurf über die Militärgerichtsbarkeit20.
XX. HandelsangelegenheitenWaffenexport Der Ministerpräsident machte mit [] auf den vom Ministerrate als Repressalie gefassten Beschluss wegen einstweiliger Zurückhaltung der Waffen und Munitionssendungen nach Montenegro und wegen Erlassung eines Ausfuhrverbotes [] für den Fall als die [] die Erlassung eines [] nach Montenegro [] sollten, die Mitteilung, dass der soeben aus Cetinje zurückgekehrte Statthalter in Dalmatien hierüber an den Reichskanzler berichtet habe, der Fürst von Montenegro habe über diese Salzangelegenheit bemerkt, dass das von ihm erlassene Verbot der Salzeinfuhr aus Österreich keinen anderen Grund habe, als die ohnehin so kargen Einkünfte der Regierung zu steigern, indem er in der Lage sei, das Salz viel billiger als aus Österreich zu beziehen, dass aber die Angabe unrichtig sei, als habe er so harte Strafen auf die Übertretung obigen Verbotes festgesetzt21.
Es frage sich daher, ob man infolge dieser Auskunft bei der Anhaltung der Waffentransporte nach Montenegro verbleiben oder dieselben freigeben solle. Mit Rücksicht auf eine soeben im telegrafischen Wege erfolgte Anzeige des FML. Ritter v. Wagner, dass der Bezirkshauptmann von Cattaro als vollkommen glaubwürdig meldet, der Fürst von Montenegro habe []ensten zu einer Räuberbande vereinigt und derart organisiert, um in mehreren Abteilungen in türkisches Gebiet einzufallen, Raubzüge zu unternehmen und dadurch Konflikt mit der Türkei zu provozieren als Ausgangspunkt allgemeiner Erhebung, glaube der Reichskanzler, dass unter diesen Verhältnissen von der Freigebung der Waffensendungen nach Montenegro wohl keine Rede sein könne. Er glaube demnach, dass es bis auf weiteres bei der verfügten Anhaltung der für Montenegro bestimmten Waffen- und Munitionssendungen zu verbleiben hätte.
Die Konferenz war hiemit einverstanden22.
XXI. Ausgleich, galizischerZugeständnisse Der Ministerpräsident bemerkte, dass Se. Majestät schon in dem letzten unter Ah. Vorsitze abgehaltenen Ministerrate den Wunsch auszusprechen geruht haben, die Erlassung der gewisse [Konzessionen für Galizien] enthaltenden Administrativverordnungen [] alsbald erfolgen [solle]23, und dass Se. Majestät diesem Ah. Wunsche im Gespräche mit ihm neuerdings Ag. Ausdruck zu geben mit dem Beifügen geruhten, dass diese Verordnungen umso eher erlassen werden sollten, weil der gute Eindruck derselben paralysiert oder doch abgeschwächt werden könnte, wenn inzwischen durch die Journalistik noch höher gespannte Wünsche angeregt werden würden. In dieser Beziehung müsse er vorzugsweise auf die schon früher beschlossene Verordnung wegen der Geschäftssprache der Behörden und Ämter in Galizien24, dann auf das Schulaufsichtsgesetz für Galizien25 hinweisen.
Der Ackerbauminister hielt es gleichfalls für hochwichtig, dass mit diesen Konzessionen ehetunlichst vorgegangen werde, und meinte, dass der Ministerrat sich nicht nur auf die Sprachen- und Schulaufsichtsfrage beschränken, sondern auch die Angelegenheit wegen der Stiftung für das Skarbeksche Theater26, dann die Frage wegen Ernennung eines Statthalters für Galizien27 in den Kreis seiner Erwägungen ziehen sollte.
[]minister erklärten sich bereit, nach noch vorauszugehender Vorberatung im nächsten Ministerrat hierüber Vortrag zu halten28.
XXII. Auszeichnungen Der Minister des Innern gab sein Vorhaben kund, für den Archivar des Abgeordnetenhauses Kupka, dann für den Kammerstenografendirektor Professor Conn die Ag. Verleihung des Ritterkreuzes des Franz-Joseph-Ordens au. beantragen zu wollen.
Die Konferenz war hiemit einverstanden29.
XXIII. Auszeichnungen Der Handelsminister beabsichtigt, für den Bauführer bei dem Hafenbau in Triest Pontzen mit Rücksicht auf seine [] die Ag. Verleihung des Ritterkreuzes des Franz-Joseph-Ordens au. zu beantrage.
Die Konferenz war hiemit einverstanden30.
XXIV. BautenVorschuß Der Minister des Innern referierte, es sei schon im Jahre 1865 die Frage wegen einer Abhilfe für die sanitären Übelstände in Pola durch eine Unterstützung aus Staatsmitteln ventiliert worden, und die Regierung habe sich damals geneigt erklärt, zur Trockenlegung des palude grande, dann zur Kanalisierung und Pflasterung der Stadt der Kommune ein Darlehen aus Staatsmitteln zu gewähren, wobei das Kriegsministerium zur Beisteuer eines Dritteiles der Kosten aus seinem Etat sich bereit erklärte31. Das damalige Projekt sei einer technischen Prüfung unterzogen worden, welche das Ergebnis lieferte, dass die Trockenlegung des palude grande als ein Übelstand und die Kanalisierung als schädlich befunden und die Pflasterung der Stadt für eine genügende Abhilfe gegen die sanitären Übelstände bezeichnet wurde.
Es werde nun das Ansuchen gestellt, zur Pflasterung der Stadt Pola der Kommune einen Staatsvorschuss unverzinslich gegen Refundierung in sechs vom Jahre 1872 [] gewähren. Der betreffende Betrag müsste nun in das Budget eingestellt und zu dieser Ausgabe von den Kammern die Ermächtigung angesprochen werden. Er habe jedoch das gerechte Bedenken, dass die Kammern zu einer solchen Auslage, die prinzipiell doch nur eine reine Kommunalangelegenheit betrifft, ihre Zustimmung nicht geben werden, und er glaube auch, dass die diesfällige Anforderung des Kriegsministers vor den Delegationen Schwierigkeiten unterliegen werde. Er könne sich auch wegen der zu besorgenden Exemplifikationen mit einem solchen Vorgange nicht befreunden, glaube aber, [] nach der Entwicklung der Sachlage den Kriegsminister befragen zu sollen, ob er noch bereit sei, der früheren Zusage [] des ein Drittel Beitrages aus seinem Etat nachzukommen.
Der Finanzminister bemerkte, dass der [] anderen Zwecken, als [] handelt, in Aus[] und jetzt ein solcher [] werden müsste, womit er wegen des schlechten Beispieles, welches hiedurch gegeben und welches die maßlosesten Berufungen so vieler Kommunen herbeiführen würde, sich nicht einverstanden erklären könne.
Der Ministerpräsident meinte, dass es doch schwer wäre, von einer so kleinen Stadt wie Pola zu verlangen, für ihre Verhältnisse so große Herstellungen meist doch mit Rücksicht auf die Sanität der dort stationierten Truppen zu bewirken. Er glaube daher, dass das neuerliche Ansuchen zu unterstützen und der begehrte Betrag von 32.000 fr. im nächsten Budget einzustellen und bei dieser Angelegenheit Hand in Hand mit dem Kriegsminister vorzugehen wäre.
Der Justizminister bemerkte, dass er sich eher für einen Staatsbeitrag als für einen Staatsvorschuss, der erfahrungsmäßig niemals zurückgezahlt wird, aussprechen würde. Er glaubte übrigens, dass das Kriegsministerium, welches so große Summen auf Bauten in Pola aufwendet, für den diesfälligen Beitrag aufkommen solle.
Der Finanzminister teilte die letztere Ansicht mit dem Beifügen, dass der einzige Grund für die Pflasterung in Pola in der Sorge für die Erhaltung der Gesundheit der Truppen gelegen ist, wornach es sich daher nur um eine gemeinsame Angelegenheit handelt.
Die Konferenz einigte sich sohin, dass der Minister des Innern bei Übermittlung der Verhandlung an das Kriegsministerium sich darauf zu beschränken habe, das im Interesse des Militärärars gelegene Ansuchen der Kommune Pola beim Kriegsministerium zur Berücksichtigung zu befürworten32.
XXV. GesundheitswesenStiftungen Der Minister des Innern berichtet über die Verhandlung wegen Erfüllung der von Gundacker Fürsten v. Dietrichstein in der Fideikommiss[] Jänner 1690 ange[] Summe von 500.000 fr. [] Spitalstiftung [] des Mannesstammes und infolge des Familienvertrages vom 13. Dezember 1856 hiezu berufene Therese Gräfin v. Herberstein geborene Gräfin von Dietrichstein33.
Nach Darstellung des Sachverhaltes und Hervorhebung des Umstandes, dass die gedachte Gräfin ursprünglich die Stiftungssumme von 500.000 fr. mit dem nach Maßgabe des Finanzgesetzes vom 20. Februar 181134 entfallenden Werte von 210.000 fr. erlegen wollte, dass dagegen die böhmische Statthalterei der Ansicht gewesen sei, dass das Finanzpatent vom Jahre 1811 auf die Leistung dieser Stiftung keine Anwendung zu finden habe und der Wert dieser Stiftung nach dem zur Zeit der Fideikommisserrichtung in den österreichischen Landen bestandenen 16 ¼ fr. Fuße zu berechnen sei, was derzeit nach österreichischer Währung ein Kapital von 646.153 fr. 84 Kreuzer repräsentiert, und nach weiterer Anführung des Umstandes, dass die beiden Finanzprokuraturen in Wien und Prag die Sache als sehr zweifelhaft betrachteten [] dieses höheren Betrages abrieten, bemerkte der referierende Minister, dass die Gräfin Herberstein einen Vergleich dahin proponierte, den Betrag von 500.000 fr. CM. Nominalwert in Grundentlastungsobligationen der im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder als Stiftungsfonds zu erlegen, diesen nach dem Nominalbetrage der Grundentlastungsobligationen vom 27. August 1864 als dem Sterbetage des Grafen Moriz Dietrichstein an gerechnet bis zum Erlagstage mit 5 % unter Abrechnung der bestehenden Kuponsteuer zu verzinsen, die erste Rate der Vergleichssumme mit 150.000 fr. in Grundentlastungsobligationen innerhalb vier Wochen nach Annahme des Vergleichsantrages, ferner einen Betrag von 100.000 in Grundentlastungsobligationen binnen drei Monaten nach Erlag der [] Rate und sohin den Rest von [250.000 fr.] Grundentlastungsobligationen innerhalb [] nach Erlag der [] zu erlegen und die []äßig bei Erlag []35. Da die Sache streitig und der Vergleichsantrag daher günstig ist, und da man bei der Annahme desselben durch das Rechtsgutachten beider Finanzprokuraturen1/2 gedeckt ist, beantrage er, dass auf die Ag. Genehmigung dieses Vergleichsantrages au. eingeraten wäre.
Die Konferenz erklärte sich hiemit einverstanden36.
XXVI. HandelsangelegenheitenHandelsverträge Der Handelsminister gab sein Vorhaben in Betreff der künftigen Behandlung der englischen Nachtragskonvention kund, gemäß welcher er den ihm durch den Präsidenten des Abgeordnetenhauses mitgeteilten Beschluss des Abgeordnetenhauses lediglich dem Minister des Äußern mitteilen will, dessen Sache es sei, die Konvention mit England abzuschließen und dieselbe den Vertretungen in beiden Reichshälften1/2 wieder mitzuteilen37. Der gewöhnliche Vorgang, dass man fertige Reichsverträge bringt, werde dabei eingehalten [] Vorgang mit Rücksicht auf die Parität mit Ungarn nicht verlassen werden. In dieser Richtung habe er die Note an den Minister des Äußern bereits entworfen38.
Die Konferenz war hiemit einverstanden39.
How to cite
Die Ministerratsprotokolle 1848–1918 (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/mrp-static/MRP-3-0-02-0-18690515-P-0225.html)