Nr. 104 Ministerrat (23. Juli 1914–22. November 1916)
RS.Reinschrift fehlt; Abschrift von Tagesordnungspunkt I; Wortlaut der Ah. Entschließung:
Kabinettskanzlei, Protokoll 1916.P. Ehrhart; VS.Vorsitz Stürgkh; anw.anwesend Hohenlohe-Schillingsfürst, Georgi, Hochenburger, Forster, Hussarek, Trnka, Zenker, Morawski, Leth, Spitzmüller.
I. StaatsbedienstetePensionswesen Quelle: Abschrift in Ministerratsprotokolle, Karton 44 (Aus dem Nachlasse Alexy).
Der Ministerpräsident möchte die Frage der allfälligen Anrechnung von Kriegsjahren für die Staatsbediensteten zur Erörterung stellen3. Diese Frage sei zunächst namens einzelner Interessentengruppen beim Ministerium für Landesverteidigung zur Sprache gebracht worden und habe den Gegenstand einer Korrespondenz dieses Ministeriums mit dem Ministerium des Innern sowie des letzteren mit dem Ministerratspräsidium gebildet4. Eine gewisse Berechtigung sei den einschlägigen Anrechnungen grundsätzlich wohl nicht abzusprechen, zumal die ziemlich large Anrechnung von Kriegsjahren im Rahmen der Militärverwaltung sich nicht nur auf die zum eigentlichen Kriegsdienste Herangezogenen, sondern auch auf solche Kategorien erstrecke, bei denen ein Vergleich mit den Staatsbediensteten möglich sei. Auch scheine es, dass man sich in Ungarn mit der Lösung der Frage in einem für die Staatsbediensteten günstigen Sinne befasse5. Der sprechende Minister möchte in der Angelegenheit heute einen vorläufigen Gedankenaustausch des Ministerrates herbeiführen, ohne dass er glaube, dass im gegenwärtigen Stadium bereits eine definitive Beurteilung möglich sein werde. In einer längeren Erörterung, an der sich nahezu sämtliche Mitglieder des Kabinetts beteiligen, wird der Anschauung Ausdruck gegeben, dass es gewiss wünschenswert wäre, auch in diesem Belange mit beamtenfreundlichen Maßnahmen vorzugehen. Immerhin seien sehr ernste Bedenken vorhanden, die außerordentliche Vorsicht erheischen. Einerseits seien dieselben in der finanziellen Tragweite aller einschlägigen Maßnahmen gelegen, anderseits entspreche es wohl nicht der nach dem Kriege notwendigen Ökonomie des Menschenmaterials, die ohnedies nicht allzu lange bemessene Dienstzeit noch grundsätzlich abzukürzen.
Der Finanzminister verweist insbesondere darauf, dass es angesichts der fortwährenden Erschwerung der Lebensbedingungen während des Krieges kaum möglich sein werde, bei den bisher zur Erleichterung der Lebenshaltung der Staatsbediensteten getroffenen Vorkehrungen stehen zu bleiben, zumal in Ungarn nach den letzten Nachrichten in dieser Hinsicht sehr weitgehende Schritte geplant werden6. Er wolle seinem endgiltigen Standpunkte in dem letzterwähnten Belange gewiss nicht vorgreifen, müsse aber doch mit der Eventualität rechnen, dass vielleicht weitere unmittelbare Zuwendungen an die Staatsbediensteten nicht vermieden werden können; er müsse daher warnen, durch irgendwelche anderweitigen Maßnahmen zugunsten der Beamtenschaft, wie es die Abkürzung der Dienstzeit wäre, die ohnedies überaus schwierige finanzielle Lage noch zu verschärfen.
Der Ministerrat gelangt sohin zur einmütigen Auffassung, dass die Frage der Anrechnung von Kriegsjahren für die Staatsbediensteten unter genauester Bedachtnahme auf die im Vorstehenden gekennzeichneten Bedenken zunächst einem einvernehmlichen internen Studium der Ressorts zu überlassen sei7.
[II. bis XXVIII. fehlt.]
How to cite
Die Ministerratsprotokolle 1848–1918 (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/mrp-static/MRP-3-0-08-1-19160706-P-0104.html)