Von Jean Paul an Christian Otto. Weimar, 23. Juni 1799 bis 28. Juni 1799.
Brieftext
Lieber Otto! Auf welchen Umwegen wird wohl Puphkas Wein zu
mir gelangen, und wird er überhaupt? Das Grab der
Corday — wo
blieben deine Beiträge? — hab ich, wenn nicht blumig,
doch grün
gemacht.
[— Warum hab ich noch kein eheliches Band zusammen gewoben
als weil ich dato auf 4
Wirkstühlen auf einmal size und heute da eine
oder 1½ Elle
fertig webe, morgen dort. —]
Deine Blätter über den Titan betreffend siehst du mich
durch ein
Glas an, das von fremden Vorurtheilen angelaufen ist.
[Da mich die Frikzionen der Veränderungen erziehen, fodere
ich
Veränderungen von denen, die in keinen
leben.]
Lücke
wiewohl er den Reflex seiner Strahlen oft für meine hält.
In der grossen Welt veracht ich die Männer 〈Siehe Beilage
NN〉
und ihre freudenlosen Freuden; aber ich
achte die Weiber. Allein sie
ist mir nöthig, um den Geist
der Zeit zu erforschen; auch bin ich in ihr
freier und
selber erkanter als in der kleinstädtischen. (Was hab’ ich
denn Hof namentlich in den Briefen gethan?) Übrigens
sagt ich
gestern zu Herder: hab ich
geheirathet, so kriech ich in ein Loch und
stecke nur den Schreibfinger heraus. — Ach ihr
wisset nicht, wie mir
ist, aber ihr werdet es im Titan
unter einem andern Namen einmal
erfahren. — Von Wernleins ofnen herlichen Himmel hatte
mir schon
Amöne erzählt; aber leider sonst nichts aus deinen
Briefen. Mit meinen
gedrukten ist das boshafte Weimar doch zufrieden, sogar Goethe:
sage du auch etwas darüber!
Geld wil ich gegen Michaelis zusammenmachen. — Herders
Meta
kritik hab ich verliehen, du bekomst
sie. — Du hast etwas Wichtiges
vergessen: ob Roquairol
Obrister wird oder nicht. —
Die Wiederholungen kommen vom öftern Umschreiben, wo ich nicht
mehr behalten konte, ob ich etwas schon einmal
geschrieben — manche
sind scheinbarez. B. zu sagen: er bricht sich einen Zweig vom Freiheitsbaum — und
einJahr darauf zu sagen: er legt eine Harzscharre
daran an, ist keine Wiederholung. — die andern sollen weg, wie alles
Affektierte und
Geschmaklose. Das närrische coupierte,
ankündigende Erzählen hab
ich mir leider von Tristram angewöhnt. Das Schlimste ist, daß ich
unter dem Machen immer selber mir die Vorwürfe machte,
die du mir
machst. Ich werde dir oft folgen, aber nicht immer; du bist wie die
Weiber, zu sehr auf Geschichte aus und gegen das Komische auch von
zu zärtlichem Geschmak. Smollet lässet einen Nachtstuhl
umrühren
— denk’ an Shakespear, Swift, Göthes Faust. Deine
geistige Idiosyn
krasie ist ein zu grosser Ekel:z. B. die Sonnenflecken des Tabaks etc. wie hat mich
nicht das Beriechen des
Gartens im
Fixlein gequält? — Wenn ich eine unbedeutende Neben
sache zu sagen habe: so sag ich sie
lieber lustig als ernsthaft. — Das
öftere Ich findest du
bei allen komischen Autoren. — Manche Wieder
holungen „ich wolte, daß“ „es fält mir auf, daß etc.“
findest du in
Sterne und überal; es sind eben so
wenig welche als 10mal in 1 ernst
haften Buch zu sagen: es ist nicht zu
läugnen. Ich werd aber viel weg
thun,
wie z. B. das L. S. Aber der Sallat wird gemacht. — Oft
must’
ich laut auflachen über meine komische Gestalt, in
der ich erscheine
manches 3, 4 mal wiederholend. — Über den
quirlenden Lämmer
schwanz hatt ich unter dem Schreiben die höchste Freude,
da das Bei
wort so unendlich malt; und
ich weis ernstlich nicht, warum es kindisch
sein sol. —
Das lezte Kapitel, das du so lobst, hat mir nun gerade die
kleinste Mühe gemacht; es strömte hervor, aber ich war in
Be
geisterung. —
Mein Trost in diesem deutschen Leben ist, daß ich nach jedem Band
zum Titan einen Anhang habe, wo ich zwischen meinen 4
Wänden bin
und mache was ich wil. — Ich danke dir noch einmal recht
innig
für deine scharfe, und bestimte und doch
schonende Kritik; denn ich
fürchtete eine schärfere. Lebe
wohl und grüsse die Deinigen. Unter
euch 3 würde d.
h. werd’ ich sein wie ihr, nichts als Liebe. Leb wohl
Guter.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/III_288.html)