Von Jean Paul an Luise Dorothea Ulrika Emilia und Karl Ludwig von Knebel. Weimar, 8. Juli 1799.

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Brieftext

Weimar d. 8. Jul. 99.

Das Wohlwollen, gütigste Freundin, womit Sie alle meine Lebens
tage gern so verschönern möchten als meine wenigen bei Ihnen, ver
diente einen längern Dank als mir Ihr Bote und seine Eile erlaubte.
Aber der wärmste für Ihre Güte ist die Nachricht, daß ich Ihrer
Meinung bin. Ich verlebte heute den ganzen Tag arkadisch im Tief
further Park und zum Theil bei Amalien, der ichs schon lange ver
sprochen; und es hat mir bei meiner moralischen Wärme nichts gefehlt
als die Mässigung der physischen. Ich fand bei der Tante P., deren
Ernst mir gefält, die schöne (in Taille und Gestalt) und die junge, ofne,
jungfräuliche liebenswürdige K. deren frischer Geist seine Rosen
knospen aufschliesset; aber ich wurde zu bald zu Amalien gerufen.

Zu dieser K. brauch’ ich jezt keinen Ruf als die Gewisheit, daß kein
Gewitter über meinem Kopfe hängt; ich wil sie immer näher kennen
lernen und nachsehen, welche Psyche in diesem Rosengebüsche nistet.
Dieses Nachsehen ist für mich selber so reizend, da ich nicht blos dabei
dem Rosengebüsche sondern auch der guten Amalie begegne, deren
Liebe eine schönere Erwiederung verdient als das eingefrorne Weimar
vermag, das an keine andere und süssere Regentschaft glaubt als an die
mit einem metallischen Zepter.

Nehmen Sie meinen herzlichsten Dank, gütigste Emilie! — und
alle meine wärmsten Wünsche für Ihr Glük! —

Richter

N. S. Mein lieber, guter Knebel! Ich komme jezt die Treppe herauf
und wil Ihnen nach meinem guten Tag eine eben so gute Nacht sagen. —


Lesen Sie doch — wiewohl Sie dadurch eine aufopfern — Schlegels
Lucinde, deren ästhetische Leere nur von immoralischer Fülle über
läuft — Aber ich wolt’ Ihnen weiter nichts sagen als schlafen Sie
wohl — welches, da das Leben eine Siéste oder ein Sommernachts
traum ist, eben so viel heisset als leben Sie wohl und wohl und wohl!


R.

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 3. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1959.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: Univ.-Bibl. Jena. 4 S. 8°. K: Emilie v. Knebel 8 Jul. 210,32 meine] aus die H 211,6 fand] aus war aber H 8 liebenswürdige] nachtr. H 11 immer] aus jezt H 16 und süssere] nachtr. H 17 metallischen] nachtr. H 24 ästhetische] moralische K 25 schlafen] leben K 27 leben] verb. in schlafen K

Knebel war seit 9. Febr. 1798 verheiratet mit der Sängerin Luise UlrikeEmilie Rudorff (1777—1853; als Rufname wird Luise angegeben, dochunterschreibt sie sich im Brief an J. P. IV. Abt., III.2, Nr. 222 Emilie). Die junge K. istoffenbar die Jean Paul zugedachte Frau, vgl. zu Nr. 289 und 339;sie und die Tante P. waren nicht zu ermitteln. Übrigens war am8. Juli 1799, nach Knebels Tagebuch, gerade Emanuel bei ihm zu Besuch,ohne daß Jean Paul es wußte; vgl. 214,7 , 215,3 .

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/III_291.html)