Von Jean Paul an Renate Otto. Hof, 8. März 1796.

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Brieftext

Hof d. 8 März 1796.

Gute Renata! Wenn Sie dieses Buch und dieses Blat morgen in
die Hände nehmen: so werden Sie schon alles errathen, was meine
Seele der Ihrigen zu sagen hat. Aber stat meiner sag’ Ihnen Ihr
Christoph, wenn er Sie unter der Morgenröthe Ihres aufgehenden
Jahres in die Arme schliesset, alles, was ich verschweige — er sag’
Ihnen: „mache dein Auge heute nicht nas, ausser vor Freude — In
„deinem Leben sei wie in diesem Buche nur ein Wechsel zwischen
Frucht- und Blumenstücken, und die Dornenstücke breche das
„Schiksal gar hinweg. — Dein zweifaches Leben zertheile sich sanft
„und was unter deinem Herzen schläft, das wache lang an deinem
„Herzen! — Mögen die Wolken deines Lebens sich in Morgenroth
„verwandeln! — Mögest du immer so glüklich sein als du glüklich
„machst!“ Und so, Theuere, gehen wir in jedem neuen Jahr neu und
enger verknüpft in der alten Liebe, in der alten Umfassung den steinigen
Weg des Lebens weiter — und wo uns diese kurze Bahn Schmerzen
macht: so können wir uns doch sagen: wir sind glüklich, denn wir
lieben uns. — Liebet euch! Ich lieb’ euch auch.


Richter

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 2. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1958.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: DLA, Marbach; ehem. Prof. Ernst Küster, Gießen. 2½ S. 4°. J: Täglichsbeck S. 78.

Richter übersendet zu Renatens Geburtstag (9. März) den 1. Band desSiebenkäs. 164, 5–7 Vgl. Nr. 329†.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/II_259.html)