Von Jean Paul an Christian Otto. Jena, 10. Juni 96.
Brieftext
um 4 Uhr abends.
Mein Bruder,
Aus dem Ort, wo du so viel Litteraturzeitungen bekömst, schick’ ich
dir nun die illitterarische, daß ich da size und schreibe und
passe bis die
Extrapost-Buzephale — denn der Wirth zum
Erbprinz (dahin lass’
alles addressieren und addressiere selber) gäbe mir als einem
der
Podolatrie Verdächtigen nur das kleinste, wenigstens
das höchste
Zimmer; welches ich um so mehr behaupten kan, da
mir gestern der
Schleizer Wirth eben deswegen keine Stube
geben wolte als die gröste,
nämlich die Wirths-Korrelazionsstube — da sind. Um 7
Uhr siz ich in
Weimar und schreib an die Kalb. Ich blieb zu Nachts für 18
gr. in
Schleiz und wanderte durch ein Paradies, neben dem an jeder
Seite
wieder eines aufstieg, bis hieher. Über den Orlagrund gehet
keine
Schönheit in der Welt — ausgenommen die lebendigen, die in
doppeltem Sin darüber gehen. — Inzwischen giebts in der
hiesigen
Gegend gerade das Gegentheil davon und die Natur
brach den
Gesichtern ab, was sie den Gefilden zuviel schenkte.
Häslicher als jede
Physiognomie ist die des Biers, blos der
Geschmak desselben ist noch
abscheulicher als jene. Tausend Grüsse theile nach allen
Weltgegenden,
sogar perpendikularen aus — nach Süden
nichts. — Die Postpferde
(auch hab ichs des armen Kerls wegen gethan, der unterwegs
keinen
Kreuzer verzehrte, der nicht vorher in meinem Beutel
lag und der auf
7 Tage gemiethet nur 4 bedurfte) kommen
sogleich und ziehen mein
froh-banges Herz dem längst ersehnten
Eden entgegen. Ich bin
Bruder
Richter.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/II_335.html)