Von Jean Paul an Wilhelmine von Kropff. Hof, 22. Juli 96.
Brieftext
Endlich, unvergessene und unvergesliche Freundin, bin ich wieder
auf Ihrem — Nähtisch. Drei Wochen lang tauchte das Schiksal
—
wenn ich so sonderbar sprechen darf — meinen Kopf bald in
Morgen
roth, bald in Abendroth,
bald in Blumenkelche, bald in Regenbogen
und sättigte mich
ganz: d. h. ich war 3 Wochen lang in Weimar.
Aber eben so lange müst’ ich schreiben, wenn ich Ihnen eine
Geschichte
der Reise und des Aufenthalts zufertigen wolte.
Mündlich brauch’ ich
weniger Zeit und geniesse mehr Lohn,
weil ich Sie dan nicht blos
anreden sondern auch ansehen kan.
Meine Weimarsche Geschichte ist
die eines Papillons: ein Leben
auf Blumenblättern, keines auf
papiernen. Ich war und trank und
as und blieb und sprach und genos
bei allen grossen Menschen in
Weimar und bei allen schönen: von der
Herzogin-Mutter und von Herder und Goethe an bis durch alle
Weiber und Männer von doppeltem Adel hindurch, nämlich den
der
Kultur eingerechnet. Da mich alle gelesen und erwartet
hatten: so
übertraf die liebende Aufnahme nicht nur meine
Verdienste sondern
auch meine Hofnungen. — Kurz mir war alle
Tage so — und mich
wundert nichts als daß ich mich
nicht verliebet habe — wie mir bei
Ihnen von 8 Uhr bis 11 Uhr
war. —
Aus diesem Tempe-Thal kam ich nun hier vor einem Berg von
Geschäften an; ich hatte wegen der neuen Bekantschaften nicht
blos
neue Briefe sondern auch neue litterarische Arbeiten
zu machen. Ich
habe daher noch niemand unter den alten
Bekanten geschrieben als
Ihnen: entschuldigen Sie bei Ahlefeld
mein Schweigen, wenn Sie es
nicht nachahmen. Ich wolte lieber, ich hätte an meiner linken
Hand
die seine und könte so nach Bayreuth gehen und die
Ihrige in die
rechte nehmen. Meine Reise hat mir viele Vorurtheile und
Fehler
genommen und dafür die Hofnung gegeben, Hof bald zu räumen
(nämlich auf Intervalle). — Für Ihre Reisebeschreibung, die
ich
leider mit keiner erwiedere, dankt Ihnen mein Herz: Ihr
kunstloses
und gefühlvolles, festes und schönes wirft darin
seine Wärme in
jedes fremde. — Das Schiksal bringe Sie,
Theuere, geheilt und froh
zurük! — — Ihre Ankunft wird
die meinige nach Bayreuth be
schleunigen. Ach die Ihrige in Hof hoff ich nicht mehr; obgleich mein
Wunsch wäre daß Sie vom nahen Markte etwas brauchten und es
also
selber kauften, und wärens nur Wünsche von mir für Sie: Ihre
Seele
und Ihre Schreibfeder vergesse Ihren Freund
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/II_360.html)