Von Jean Paul an Methusalem Müller. Hof, 1. Dezember 1796.

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Brieftext

Kopie
[ Hof, 1. Dez. 1796 ]

Ihre Versicherung, daß meine kleinen Blätter wenigstens gegen
einige Stacheln des Ziliziums, das wir alle tragen, die Unterlage
wurde. Durch den wachsenden Kontrast, da die Verfeinerung zugleich
die Wunden und die Marterinstrumente, zugleich die bürgerlichen
Abgründe und die idealischen Höhen vergrössert, ist die Erde so ver
worren, daß es noch leichter ist, volkomne Tugend zu finden als vol
komne Ruhe. Das Ziel meiner litterarischen Eintagsfliegen ist: den
Menschen Ruhestätten zu zeigen schon vor der tiefsten — sie mit den
Thoren zu versöhnen auf Kosten der Thorheiten — ihnen in der Wüste
Blumen, an Pedanten Freude, am Hof Tugend, im Schmerz die
Seeligkeit, in der Armuth einen [?] eben so grossen Reichthum und
sogar in diesem einen und am Ende auf der ganzen Erde 2 Himmel zu
zeigen, einen jezigen und einen künftigen. Die Alten suchten ihr Glük in
Grundsäzen, wir in Empfindungen, jene geben ein kleines, diese ein
unstätes: es bleibt nichts übrig als ihre Vereinigung, die der Dauer
mit der Grösse.

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 2. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1958.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

K: Müll. 1 Dec. i: Wahrheit 5,192. B: IV. Abt., II, Nr. 158.

Der mit Oertel befreundete Schriftsteller Karl Ludwig MethusalemMüller (1771—1837) hatte in B Jean Paul seine Verehrung ausgesprochen.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/II_470.html)