Von Jean Paul an Methusalem Müller. Hof, 1. Dezember 1796.
Brieftext
Ihre Versicherung, daß meine kleinen Blätter wenigstens gegen
einige Stacheln des Ziliziums, das wir alle tragen, die Unterlage
wurde. Durch den wachsenden Kontrast, da die Verfeinerung
zugleich
die Wunden und die Marterinstrumente,
zugleich die bürgerlichen
Abgründe und die idealischen Höhen
vergrössert, ist die Erde so ver
worren,
daß es noch leichter ist, volkomne Tugend zu finden als vol
komne Ruhe. Das Ziel meiner litterarischen Eintagsfliegen
ist: den
Menschen Ruhestätten zu zeigen schon vor der tiefsten
— sie mit den
Thoren zu versöhnen auf Kosten der
Thorheiten — ihnen in der Wüste
Blumen, an Pedanten Freude, am
Hof Tugend, im Schmerz die
Seeligkeit, in der Armuth einen
[?] eben so grossen Reichthum und
sogar in diesem einen und am Ende auf der ganzen Erde 2 Himmel
zu
zeigen, einen jezigen und einen künftigen. Die Alten
suchten ihr Glük in
Grundsäzen, wir in Empfindungen, jene geben ein
kleines, diese ein
unstätes: es bleibt nichts übrig als ihre
Vereinigung, die der Dauer
mit der Grösse.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/II_470.html)