Von Jean Paul an Alexandrine Freifrau von Seckendorff-Aberdar. Hof, 14. August 1797.

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Brieftext

Hof. d. 14 Aug. 1797.

Ihr liebender und ehrender Enthusiasmus, gnädige Frau, wurde
wieder der Gegenstand des meinigen. Nur ein starkes Herz konte mir
so viel vergeben; eine schöne Seele, wie die Ihrige, liebt unbewust in
meinen Werken etwas höheres als diese. — Ich denke mir die Stunden
geniessend voraus, worin Sie meinen Hesperus — gleichsam das
erste Viertel nach dem Neumond der unsichtbaren Loge — weinend
und froh anschauen.


Hesperus und das Kampaner Thal halten die Kunstrichter für die
Fokalpunkte meines kleinen Lichts.


Hier sind meine Werke nach der Chronologie ihrer Geburt, samt
den mir nur muthmaslichen Preisen:


  • 1) Hesperus, bei Mazdorf in Berlin. 3 Theile für 3 rtl. (in einem
    viertel oder halben Jahre komt eine 2te Aufl.)
  • 2) Quintus Fixlein, bei Lübek in Bayreuth. 2 rtl. (in 1 viertel Jahr
    eine 2te Aufl.)

  • 3) Biographische Belustigungen, bei Mazdorf in Berlin. 1 rtl. 6 gr.

  • 4) Blumen-, Frucht- und Dornenstücke, bei demselben. 3 Theile.

  • 5) Vorrede zur zweiten Auflage des Fixleins, bei Lübek in Bay
    reuth. 8 gr.

  • 6) Jubelsenior. 1 rtl. 6 gr.

  • 7) Das Kampaner Thal, oder über die Unsterblichkeit der Seele,
    bei Hennings in Erfurt. 1 rtl. 4 gr.

  • Ich schliesse mit lauter Wünschen für Ihr Herz, und mit einem für
    das meinige, daß ich einmal in die Augen schauen möge, die so nach
    sichtig auf meine Blätter geblikt. Der kalte Erdschatten fliehe eilig
    über Ihre Blumen weg! Der Himmel der zweiten Welt zeige Ihrem
    innern Auge im Gewühle des lauten Lebens immer seine magischen
    Sternbilder, und Ihr gutes Herz sei immer von Liebe gefült und
    erwärmt, von fremder und von der Ihrigen!


    Jean Paul Fr. Richter

    Textgrundlage

    Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 2. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1958.

    Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

    K: Generalin v. Seckendorf 14 Aug. * J: Deutsches Unterhaltungsblatt,18. Mai 1816, Nr. 40. B: IV. Abt., II, Nr. 222.

    Alexandrine Charlotte Marianne Wilhelmine Freiin von Seckendorff-Aberdar, geb. 30. Juli 1748, gest. 16. Juni 1829, Tochter des ansbachischen Ministers und Geh. Rats Christoph Ludwig Freiherrn vonSeckendorff-Aberdar (1709—81), kinderlose Witwe des k. k. Generalfeldwachtmeisters Karl Ludwig Freiherrn von Seckendorff-Aberdar(1717—93), hatte nach der Lektüre der Unsichtbaren Loge begeistert anJean Paul geschrieben und ihn gebeten, ihr unter der Adresse des Geh.Rats Wetzel in Ansbach, dem sie die Bekanntschaft mit seinen Schriftenverdanke, ein Verzeichnis seiner sämtlichen Werke mit Angabe der Verleger und Preise zugehen zu lassen.

    How to cite

    Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/II_681.html)