Von Jean Paul an Paul Emile Thieriot. Berlin, 17. Januar 1801.
Brieftext
Ihre Fastnachtsspiele und Moralitäten, die Sie vor und mit Rakniz
aufführten, sind mir freilich in der Erzählung lieber als alles
was Sie
dafür hätten geigen können.
Ich habe nichts dagegen, daß Sie so die Poesie des Scherzes in die
Wirklichkeit hereintreiben, sobald Sie nach der Fortuna, die
allein
über diese herschen wil, nichts fragen und nach den Stössen
ihres
Rads. Ich kenne aus eigner Erfahrung die pikante
Süssigkeit dieser
Doppelrolle, worin man sein Leben zugleich
spielt, lebt und parodiert.
Aber wie gesagt, unter den
erbärmlich-gesteiften schlafröckigen Deut
schen (vollends Sachsen) — oft sogar vor
Gegen-Humoristen — ver
schüttet man sich dadurch unausbleiblich
seine Goldschachte und die
Ehrenbogen fallen dem Spasvögelein
auf die Hirnschaale.
Unter allen Schlechtigkeiten komt die lügender Verheissungen am
öftersten vor.
Freudig würd’ ich Sie meine Thüre aufmachen sehen; Violinisten
giebts hier zwar viele, aber meine Konnexionen würden Ihnen leicht
die Erlaubnis auswirken, sich vor ein Notenpult mit Ihrer
Brille zu
stellen.
Unter allen geselschaftlichen Tönen stell’ ich den hiesigen am höchsten.
Juden, Minister, Offiziere, Gelehrte, Weiber, diese macht das
ge
sellige Band oft zu Einem Straus; in
Dresden hätten sie in einem
ganzen Garten nicht Plaz. — Die Gedankenstriche sind die
Isolatorien,
worauf ich die Gedanken stelle und so
auseinanderhalte. — Ich habe
Haydns Schöpfung — gesehen
beinahe; weit über Reichard. — Ueber
die Maria Stuart von Schiller kan ich nicht urtheilen, weil
ich blos
das Ende der Maria, aber nicht des Stüks abwartete; „fröhlich,
singen
die Xenien, sprang der Grieche aus seinem Theater
heraus“. Diesen
Sprung that ich munter nach.
Bei Wilmans komt zu Ostern von mir heraus: „das heimliche
Klagelied der jezigen Männer, eine Stadtgeschichte, und die
wunder
bare Geselschaft in der Neujahrsnacht.“
Jakobi gebe ich für 1802 (jezt kam nichts heraus) etwas
anderes. —
Einige Ihrer herlichen pythagoräischen Reminiszenzen (oft sinds
Jean Paulsche) im Merkur sind mit in der Auswahl aus
Hippel,
Jean Paul etc. aufgenommen. — Unterschreiben Sie sich doch
immer
in Büchern mit dem ganzen Namen, oder doch immer mit
dem
selben. —
Der zweite Titan wird 13 Bogen stark, der Anhang stärker. — Ich
und die Schlegelsche Parthei rücken einander immer näher, aber
nicht
feindlich; Bernhardi und Tiek besuchen mich oft.
Dem altäglichen Merkel werd’ ich im kommenden Anhang einige
seiner hohlen Zähne ausschlagen. — Mit Fichte traf ich neulich
bei
Fesler zusammen abends um 11 Uhr da ich meine Braut
abholte;
ich behandelte ihn unbefangen und wir kamen in eine heftige
\nicefrac{5}{4}stündige
Disputazion, die mir und ich denke ihm gefiel, so daß er mich besuchen
wil. —
Ostern bringt doch gewis in der Blütenzeit auch von Ihnen
Blüten? Leben Sie froh und schreiben Sie nicht nur bald, auch
viel.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/IV_73.html)