Von Jean Paul an Karl Friedrich Ernst Frommann. Hildburghausen, 8. Oktober 99.

Zum TEI/XML DokumentZur originalen Webseite

Brieftext

Hildburghausen d. 8 Oct. 99.

Mein guter Fromman! Die Theologen haben vier lezte Dinge:
ich habe in diesem Briefgen blos vier verschiedene oder erste: mich
— Thiek — Fichte — und das Bier.

  • 1. Ich war neulich eine Nacht in Jena und gieng weder zum
    Abend-Mahl bei Ihnen noch zur Beichte bei Ihrer Frau Gemahlin,
    die mir meine Sünden erst vorhalten mus eh’ sie sie vergeben kan.
    Aber ernstlich, Ein Abend nach einem nassen müden Reisetag lohnet
    die Mühe nicht, und macht nur eine.
  • 2. Zerbino’s Reise las ich auf meiner durch, erquikt durch die
    schneidende, ächt-shakespearsche, (nur aber zu oft und zu sehr mit sich
    selber spielende) Laune und durch den von dem Poeten gepflanzten
    Garten der Poesie; aber ein wenig gestossen von vielen Versen, die
    wie ein Hohlweg zugleich hohl und holperig waren. Jezt möcht’ ich
    noch gar alles lesen, was mir noch restiert. (Abdallah — die roman
    tischen Dichtungen) [ Beides hab’ ich seitdem bekommen ] — die verkehrte Welt — die Phantasien
    über die Kunst — Können Sie mir etwas davon leihen, ich werde
    Ihnen sehr danken.

  • 3. Aus Ihrem Bücher-Lombard erbitt’ ich mir auch Fichte’s
    Wissenschaftslehre und wenn möglich, das Niethhammersche Journal
    ganz oder doch die Stücke, worin Fichte und Schelling sprechen.

  • 4. Vergeben Sie, daß ich im Vertrauen auf Ihre Güte, Bier,
    das ich von Bayreuth kommen lasse — um nicht am englischen
    weimarschen umzukommen — an Sie addressieren lies; vergeben
    Sie es.

  • Leben Sie froh und bringen Sie Ihrer verehrten Frau einen recht
    herzlichen Grus von mir! —


    J. P. F. Richter

    Textgrundlage

    Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 9. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1964.

    Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

    H: Goethe- u. Schiller-Archiv. 4 S. 8°. Präsentat: 1799. M[ichaelis]/Messe. K: Bd. III, Nr. 325. 5, 7 Hildburghausen d. 8 Oct.] aus Weim.d. Octob. 99. 9 oder erste] aus Dinge 13 mus] nachtr. 17 zu oft und zusehr] aus oft 18 dem Poeten] aus der Poesie 20 waren] aus sind 21 alles] nachtr. 22f. die Phantasien über die Kunst —] nachtr. 30 lies] aus lasse

    5,8 vier letzte Dinge: vgl. Bd. V, Nr. 199, 82,6. 11 Nacht in Jena: s. Bd. III,Nr. 325. 3. Gemahlin: Johanna, geb. Wesselhöfft (1763—1830). 16 „PrinzZerbino oder die Reise nach dem guten Geschmack“ im 1. Bande von Tiecks„Romantischen Dichtungen“, Jena (Frommann) 1799; der 5. Akt spielt z. T.im Garten der Poesie, in dem Dante, Ariost, Petrarca, Tasso, Cervantes,Hans Sachs, Sophokles, Shakespeare erscheinen. Die anderen TieckschenWerke s. Register. 26 Niethammers Journal: s. Bd. III, Nr. 274 198, 30 .

    How to cite

    Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/IX_4.html)