Von Jean Paul an Johann Adam Lorenz von Oerthel. Hof, September 1786.

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Brieftext

Lieber Oerthel,

J’y ai reflechi. Enfin j’ai dit à moi-même: „En verité, mon cher
„Moi, je vois que tu n’a[s] pas encor les ailes qui te doivent porter
„de Hof. Pendant qu’ elles croissent tu te peux bien faire un beau
„nid à Toepen, où ton ami a le sien. Tu me feras un grand plaisir
„si tu y enseignes, écris et lis, c’est-à-dire si tu y veux être le
„maitre de ton éleve, du monde entier et de toi-même. Aussi dois
„tu compter pour quelque chose que tu y es assuré de ne mourir
„pas de faim. Ne crains point de perdre ta liberté; tu changes
„seulement des bornes qui t’environnent dejà.“

Ich hätte noch länger mit dem H. Moi geschwazt, wenn ich dir nicht
hätte schreiben müssen. Ueberhaupt wenn Er (D.) einmal wegkömt:
so kan ich mich — das bin ich geständig — nicht anstellen als ob ich
glaubte, hier in der ganzen Gegend wäre noch ein Subiekt auszufragen,
das in allem so sehr an ihn langte und so sehr ihm gliche als ich selbst.
Indessen kanst du, um deinen H. V[ater] auszuholen, meine Ent
schliessung noch blos für deinen Rath ausgeben.


Ihr gab besonders die unerwartete Liebe deines Bruders das
Dasein, die ich vorher von dir und auf dem Wege von ihm selbst erfuhr;
und da er, wie ich dir schon oft gesagt, noch einen Bruder hat: so kan
ich fast annehmen, daß auch der mit der Hand oder sonst die Wag
schaale niedergezogen; allein das kan einen ganz partheiisch machen und
er hätt’ es unterlassen sollen.


Dan, lieber Freund, schiffen wir noch einige schöne Tage hart neben
einander auf dem Lebensmeere her bis uns die Zufälle wieder aus
einander blasen.


Lieb wäre mirs, gienge alles schnell vor sich; nur deine Antwort aus
genommen: denn soviel Jurisprudenz weis ich wol, daß ich iene, sobald
es ihren Vortheil anbetrift, schon als geboren anzunehmen habe.

Solte iemand in diesen Brief einbrechen: so wird er sich ärgern, daß
ich ihn hier auf dieser Zeile wirklich auslache und in den übrigen durch
Zweizüngigkeit zum Narren habe.


Lebe wol und schreibe nur diesmal bald an


Deinen Hof am Donnerstag [Sept.?] 1786.
Richter

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 1. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1956.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: Berlin JP. 1 ½ S. 4°. J 1: Wahrheit 4,81× (18. Dez. 1786). J 2: Nachlaß 2,326× (18. Dez. 1786). 220, 18 je vois que] nachtr. 19 tu te peux bien faire] aus peux tu te faire 21 si 1] aus quand 221,1 kan] aus mus 2 fast] aus sehr wol 3 kan einen ganz partheiisch machen] aus macht einen partheiisch 8 nur] aus wenigstens 10 anzunehmen] aus vorauszusezen

J 1 und J 2 datieren nach Nr. 189; Oerthel ist aber schon am 13. Oktober 1786 gestorben. Wahrscheinlich ist dies der im folgenden erwähnte Brief. Es handelt sich um die Frage, ob Richter seine lange bewahrte Amtslosigkeit (s. 188, 11) aufgeben und Hauslehrer von Oerthels jüngerem Bruder (vgl. 145, 16–19) werden sollte. (Hermann empfiehlt in einem Brief an Albrecht Otto v. 29. Dez. 1786 einen gewissen Römer, womit er zweifellos sich selber meint, als Hofmeister des „kleinen Oerthels“; es handelt sich da aber um einen Sohn des am 28. Febr. 1785 gestorbenen Hofer Kommerzienrats Georg Friedrich Oerthel; s. Schreinert S. 107f.) 220, 27 D.: vermutlich der bisherige Hauslehrer. 221, 11–13 Vgl. 196, 33f.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/I_184.html)