Von Jean Paul an Sophie Rosine Richter. Leipzig, 2. Juli 1782.
Brieftext
Liebe Mama!
Ich empfieng das Geld, welches ich von Ihnen gebeten — ich
danken Ihnen um soviel mehr dafür, da es Ihnen soviel Mühe
gekostet es zusammenzubringen. O wie gern möchte
[ich] keines ver
langet haben; und wie noch lieber möchte ich Ihnen das wieder
zu
stellen können und bald zustellen
können, was Sie so notwendig
brauchen. — Ihre Rechnung, die Sie
in Ihrem Briefe beigefügt,
möchte nun nicht so ganz
richtig sein. Denn ich habe nicht alles genante
vom Örtel
empfangen; Sie selbst doch auch ein Ziemliches. Doch das
tut nichts zur Sache. Meinen Bruder bedaure ich auf der einen
Seite,
da er so ein elendes Schiksal hat. Aber wenn ich bedenke, daß er
sich das
Schiksal wol auch selbst mit macht, so ärgert mich
seine Auffürung.
Jezt zieht er nun so ohne Herrn in der Welt
herum; lernt nichts, wird
immer liederlicher aus Mangel
der Arbeit, hält sich immer nahe zu
Ihnen. Was wird denn so
werden aus ihm? Er wird Ihnen immer
einen Gulden nach dem andern
ablokken und nichts lernen. Alt ist er
genug; freilich klug noch
nicht, und wirds sobald nicht werden. —
Ich weis nicht, wen Sie
in Ihrem Briefe meinen, da Sie von einem
nichtswürdigen
Menschen reden, der Sie beim Barnikkel verläumdet
hat. — Den Ovid hat Örthel mit nach Töpen geschikt. Hat Ihnen
solchen der alte Örthel noch nicht überschikt, so brauchen Sie
ihn nur
holen zu lassen. Schreiben Sie mir recht bald; Sie werden doch
wol
den Brief mit etwas anfüllen können, mit nichts Traurigen
freilich
nicht, mit welchem Sie so immer beladen sind,
mit Neuigkeiten aber,
deren es in Hof doch wol geben mag, auch
von Schwarzenbach. Was
macht denn mein guter Samuel? der gute Junge. Und meine Brüder;
freilich werden sie nicht viel lernen. Was macht der Heinrich?
Ist auch
mein Hund noch am Leben? — Hüten Sie sich bei der Rur in Hof
vor
Erkältung. Denn von dieser komt sie her. Essen Sie brav
Obst. Denn
dieses ist das beste Mittel gegen diese Krankheit.
Auch einmal Laxiren
tut seine Wirkung; aber nicht oft, wie Sie
sonst zu tun pflegen. Ver
geben Sie mir
meine unleserliche Hand. Ich muste geschwind schreiben:
da die
Post abgehen wil. Und ein kleines Stük Papier hab’ ich genom
men, um über meinen Brief ein Kuwert machen
zu können. — Denn one
ein Kuwert kan ich keinen Brief so
zusiegeln, daß ihn nicht ieder one
Beschädigung des Siegels
öfnen könte. Schreiben Sie bald, und
leben Sie wol. Ich bin
Ihr
g. S.
Leipzig den Dienstag. [2. Juli?] 178[2] .
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/I_26.html)