Von Jean Paul an Wilhelmine Uthe-Spazier. Bayreuth, 12. März 1821.
Brieftext
Theuerste Minna! Ihnen send’ ich das Nein für den vortrefflichen
H—r, dessen ächt deutsches Herz sich in nichts irrt als im
Gegenstande.
Nie wurde mir das sonst schwere Abschlagen einer Bitte
leichter als
diesesmal; denn ihre Erfüllung wäre zugleich ein Unrecht, eine
Unnützlichkeit und eine Unmöglichkeit, nämlich in meinem Falle.
Millionen werden Herrn H. auf seine Frage, ob man Napoleon, den
Raubmörder Enghiens und den
Foltermörder des englischen Admirals
B. etc. etc. hätte erschießen dürfen, mit Ja antworten und
darin nur das
gesteigerte Verhältnis von Mürat und Ferdinand
wiederfinden. Wenn
dieser Prometheus Europa’s — oder vielmehr Gegenprometheus,
da
er Feuer und Menschen blos vertilgte — von seinem
Felsen und von dem
Geier an seiner Leber loskäme: so könnt’
er leicht selber als Geier über
den jetzo schlachtfertigen
Feldern unseres Welttheils schweben. Ich
bekümmere mich
hier nicht einmal darum, daß seine Leberkrankheit eben
so wol
Folge seines eigensinnigen Stillsitzens als des Klima ist.
Ferner unnütz wäre alles was noch für ihn geschähe, da eine
Luise
und alle seine Verwandten, denen man hierin gar keine
Neuigkeit sagen
würde, bisher nichts vermochten — und
vollends bei dem beharrlichen
brittischen Kabinette,
dem er bisher so viel gekostet. Noch träumerischer
wäre gar ein Umweg hinab nach Amerika, und wieder herauf
nach Eng
land — eh’ es nur zu Worten, geschweige
zu Drohungen käme, stürb’ er
vor Alter.
Endlich unmöglich wäre mir alles,
sogar wenn ich anders dächte
und wünschte. Herr H.
leiht mir bloßem Privatgelehrten eine Bekannt
schaft mit den Höfen und gar eine Einwirkung, welche beide
mir nicht zu
Theil geworden. Wozu nach dem Vorigen das
Weitere? Ich habe so
wenig Zeit; und blos aus Achtung für
Sie und ihn opferte ich diese
Stunde auf. Möchte doch Herr
H. eine so seltene und verehrwürdige
Begeisterung den
rechten und den erreichbaren Zielen zuwenden!
Meinen herzlichen Gruß an Ihren trefflichen Gatten! Es gehe Ihnen
wohl in Ihrer prosaischen und in Ihrer poetischen
Welthälfte.
N.S. An Schrag haben Sie einen zuverlässigen und biedern Buch
händler gewonnen.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VIII_156.html)