Von Jean Paul an Heinrich Voß. Bayreuth, 5. November 1817.
Brieftext
ab den 7ten
Du lieber Heinrich! Die Buchhändlergelegenheit, die dir den
Brief zubringt, beweiset dir zugleich, wie wenig ich jetzo etwas
anderes schreiben kann als Bücher. Nimm daher vorlieb mit
dem
eiligsten Durcheinander, obgleich deine köstlichen Briefe —
diese
wahren zweiten, dritten etc. etc. Bände
meines Heidelberger Lebens —
etwas Besseres und Längeres verdienen. Nur, Guter, schone
mehr
deine Augen als Porto und Papier. In 2 Jahren kannst
du deine
Briefe, in 3 das Griechische nicht mehr lesen und
später nichts mehr
als ein gutes Herz. Ich flehe dich an, schreib
weitläuftiger; auch
Emanuel, der dich so liebt und liest, bittet mit; und du,
bitte deine
Seelenmutter, dich darum zu bitten. — Jetzo das
Durcheinander!
Im künftigen Frühling, wenn mich nicht der ewige weg- und
aufge
zogen, drück’ ich gewiß zwei
theuere, warme und reiche Hände an
mich, die deiner Eltern;
und dieses helle Zwillinggestirn soll mir
noch mit in den Heidelberger Sternenhimmel
aufsteigen. — Kein
Puterhahn war so gut gemästet und gebraten als der, den mir
deine
Mutter vorgesetzt — sag’ und dank’ ihrs und ich nähre mich
noch
davonAuch dein Pappkästchen
gehört zur Bundes Lade unsere[r]
Freundschaft.
. — Deine Beschreibung des Dappingschen
Tanzsonntags
verdient zwar keine Verzeihung, aber desto mehr Lob. — Der
innigste
Dank gehört dir für die Korrektur, da mich immer
die Druckfehler
als Läuse wie einen Herodes und Sulla fressen und du so
scharf
kämmest. „Eckig beweglich“ war freilich recht; und so
solltet ihr
auch bei den Alten immer die barokere Lesart
vorziehen, da die Ab
schreiber nur die gemeinere
wählen. Reichstag etc. etc. ist recht;
da vom Reiche nichts geblieben als dieses s (wie ein s. sanctum)
und es nun zu einem nomen proprium gediehen. Du triffst immer
meinen Wunsch und Sinn; aber deine Arbeit und deine Augen
schmerzen mich. — Schumachers
Darstellung in der eleganten Zei
tung ist (seine Paulolatrie
abgerechnet, die auch deine Ketzerei
ausmacht) vortrefflich
und die Farben des Witzes und der Phantasie
und die
Gewandtheit in der Anordnung verrathen den Dichter.
Dank’
ihm. Seinem Gesichte sah ich eine verwickelte, ja schwere
Vergangenheit an. — Schreibe mir doch mehr von der briefstummen
Sophie P[aulus]
und bitte sie um die Erlaubnis, sie unter der Hand
auszuspionieren für mich. An sich übrigens misfällt sie mir
gar nicht.
— — Der treffliche Geiger und Humanist Thieriot wird nach Heidel
berg kommen. Hätt’ er nur nicht
das Cento (obwol ohne allen Zorn)
gegen deinen Vater geschrieben: — ich würd’ ihn deiner
Liebe emp
fehlen. — Den Esel von Horlitz
hast du zu einem guten Palmesel zuge
ritten. Mein Wörterbuch reicht dir mit
dem Zeitwort meistens zugleich
auch das Substantivum; wend’ es mithin auch von dieser Seite an.
Leicht wäre nach meinen logischen Klassen ein lateinisches
und grie
chisches zu fertigen. — Wie werd’ ich
das zweite mal in den Heidel
berger Herzen schwelgen, da gar
zwei neue schönste dazu kommen
und ich auch manche gesehene Menschen wie Munke und den Pro
rektor und andere zu wenig gesehen! Gott
gebe mir diese Freude
nur zum zweiten male; zum dritten
verlang’ ichs nach meinem
Dualis-Glauben ohnehin nicht. Wenn
ein Mensch sehr, oder gar
zu sehr geliebt wird: so
thut ihm sein künftiges Sterben ordentlich
weh, weil er
weiß, daß er damit größere Schmerzen gibt als er mit
dem
Leben Freuden geben konnte. Man sollte unbemerkt verschwin
den können. — Grüße alle, bei denen ich gewesen; hier fehlt
Zeit und
Platz zu ihren Namen. — Soll denn die Büste für oder nur an
Schwarz? — Emanuel will mit mir und Otto deine Geburtfeier
nachfeiern. — Ich arbeite an „Saturnalien“ für das
Morgenblatt
1818 und bin umstrickt, ja durchwachsen von Arbeiten. —
Herzlich
seien Vater und Mutter gegrüßt. Lange bleibe dir
das größte
Glück! —
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VII_346.html)