Von Jean Paul an Caroline Richter. Heidelberg, 23. Juni 1818 bis 28. Juni 1818.
Brieftext
Gute Karaline! Dein letzter Brief — am vorvorigen Montag
den 15ten abgegangen und erst am vorigen Sonntag
eingelaufen —
brachte mir einen ganzen frohen Tag mit.
Ich hange hier fast mehr
von dir ab als in der Nähe, weil
zuviel Zeit zum Gutmachen
gehört. — Lasse ja meine
Stube — die Fenstergebrechen gehören
auch dazu — bald
vollenden, weil ich wol einmal kommen könnte
unversehends, da ich Rückfuhren auflauere. Denn so gar viel hab’
ich hier nicht mehr zu thun und mein Schreibtisch bleibt
mir zu lange
brach. (Treibe doch Otto um schnelle Nachricht über die Mauth
oder schreibe mir seine Antwort. Du hast doch
meine Briefe an ihn
und Emanuel
gelesen?) Es werden nicht wie im vorigen Jahre
Landfahrten gemacht. Nur 3 malNein; sondern 4 mal, nämlich auch 1 mal bei Schwarz.
hab ich Mittags außer Hause
gegessen, und immer
bei Voß
Zwar bin ich von Paulus für
jeden Mittag geladen, aber noch nie ge
kommen, sondern nur abends mit
meinem Schlegel.
(wenn ich nämlich auch morgen
dazu rechne). Glaube aber ja an keine Erkältung der
Menschen
gegen mich. In mir selber kann sich
nur nicht das Wiederholte dem
Neuen ähnlich erneuern.
Auch mache ich meine Antrittbesuche in zu
großen
Zwischenräumen, z. B. erst gestern bei Hegel und Creuzer;
aber noch nicht bei der kranken Dapping. Diesen Morgen besuchte
mich der schöne edle Engländer Pickfort und lud mich für Abend
auf sein Landhaus. — Wirth und Wirthin und sogar
die Aufwärter
tragen mich auf den Händen. Sie sind aber auch überhaupt
gegen
andere Leute von einigem Rufe so, z. B. gegen Canova. — Schelver
sagt über die Rau: sie werde ganz gewis, aber langsam her
gestellt; bei einer ähnlich Gelähmten
dauerte die Kur 3 Jahre;
Schlaf aber sei nicht nöthig und
daher sei nur der Arm, nicht der
Leib zu
magnetisieren; komm’ er indeß nach bloßer Berührung des
Arms: so sei er gut. —
— Die Thiedemann sah ich; aber sie ist nicht halb so
schön als
Voß sie versprach, nur das Auge ists. — Das Wetter ist so
schön
als ich vorausgesehen; und bei euch gewis auch so.
Schreibe mir
von eueren Feldhoffnungen. — Den
Maler Maier und Frau aus
Weimar fand ich gestern hier an der Abend Wirthtafel. —
Nach
MöglichkeitUnter der
Möglichkeit versteh’ ich nicht das Geld, sondern den Platz im
Koffer.
will ich alles von dir Vorgeschlagne einkaufen. —
Gib deine Briefe Mittwochs und Sonntags auf: so kommen sie
in 4 Tagen an. — Warum hast du in so langer Zeit nicht mehr
Wein verbraucht? Ich bitte dich herzlich, genieße doch
mehr davon.
Auch ists mir gar nicht recht, daß du in
meiner Abwesenheit das
Essen heruntersetzest. Wie soll
mir dann hier meines schmecken?
In künftiger Woche will ich ankommen. Hätt ich nur erst deine
Antwort! Wegen des langen Hin- und Herschreibens werd’
ich
doch einen Kutscher von hier nehmen müssen. Noch
nie sehnt’ ich
mich so sehr in meine Heimath zurück. —
Wenn ich oben aus Scherz
sagte mein Schlegel: so meint’ ich, daß wir beide gutmüthig uns
besuchen (ihn trennt von meiner Stube wie früher den Merkel in
Eisenach nur eine dünne Stubenwand) und unten am
Tische neben
einander sitzen und daß er meine etwannigen Scherze
höflich erträgt.
— Vom Frankfurter Erbrechen hab ich mich
hier durch frühes
Niederlegen (um 10 Uhr) wieder hergestellt. — Heute will
ich den
Hellseher Auth über mich
fragen. — „Drei Monate ausbleiben“
wie Oestreicher
vermuthete, würde mich tödten vor Sehnsucht nach
dir, Kindern, Ruhe, Häuslichkeit und Arbeit.
Odilie soll jetzo alle Eier zerbrechen.
Endlich kann ich fort. Am 30ten Jun. oder am 1. Jul.
geht eine
Rückfuhre nach Würzburg. Am Sonnabende komm’ ich demnach
an.Sei aber auch am Freitage
für den unwahrscheinlichen Fall zu Hause.
Bis Sonntags will ich mit der Absendung dieser Blätter auf
deine warten. — Emanuel hat mir
geschrieben; aber Otto noch
nicht, und so kommt er mit seiner Mauth-Belehrung
mir zu spät.
— Nach Manheim geh
ich aus Mangel einer Oper nicht, und aus
Müdigkeit des Treibens 〈meines Abhetzens〉 .... Eben
schickt die
gerade angekommene Sternberg herauf (Solcher seltsamen Zu
sammenpaarungen der Sachen mit den
Gedanken will ich dir mehre
erzählen). Ihr Mann
ist auf einer 3 monatlichen Reise nach
Liefland. Sie will mich nach Manheim locken. Mein zu Hause ge
bliebnes Pathchen erfüllt alle
Versprechungen seiner Gestalt. Sie
will mit ihm wiederkommen. Sie hat seit dem Wochenbette
viel
jungfräuliche Blüte angesetzt.
Gestern kam der schon am Montag abgegangne Brief Odiliens
an. Hätt’ ich hier alle Freuden des vorigen Jahrs
genossen: die
Stimmung in einigen deiner Briefe hätte sie
alle entzaubert 〈ge
tödtet〉. Aber wie
muß ich jetzo davon leiden, da ich keinen einzigen
rein frohen Tag hier erlebt, gar keinen! Überall nahm mir das
Schicksal etwas und wär’ es durch Krankmachen oder auch
verreisen
lassen. Nie möcht’ ich diese Zeit zum
zweiten male durch leben.
— So wurde auch keine einzige
Landpartie gemacht, und kein
Spaziergang außer dem mit
Hufeland. Du wirst mich sehr be
dauern, wenn ich dir alles
erzähle, aber auch es sehr bereuen, daß
du mir noch so
große Schmerzen nachgeschickt. Ich will jetzo ab
brechen, da vielleicht in einigen Stunden ein besserer
Briefder mir meinen gewiß am Mittwoche den 24ten
angekommenen beantwortet. von
dir ankommen
kann. Du bedenkst nicht, daß ich jeden Tag schreibe
und
also so viel und daß du die Posten falsch berechnest.
Dieß ist der letzte Brief aus Heidelberg. Lebe wol!
Meine gute Odilie habe recht Dank.
Grüße an die Ottos und Emanuels.
N S
Gerade kommt dein Brief, der mich wieder erheitert und doch
erzürnt. Denn ich muß zürnen, wenn ich eine beschworne
Behaup
tung wiederholen soll, daß
meinem Herzen Sophie nicht mehr ist
als jede gute weibliche Seele, die ich als Autor
kenne; sogar schönere
und wärmere Freundinnen
fand ich in Frankfurt. Hier haben wir
beide nicht einmal den kleinsten Briefwechsel gehabt; kein Blättchen
schrieb sie an mich. Die alte Paulus zürnt auf die Voßischen
so kam gestern zu unserm T@ée bei Voß nur der Vater, die
eingeladenen
Weiber aber entschuldigten sich auf die nichtigste
Weise bei jenem.
, weil
ich bei diesen öfter war als bei ihr. Überhaupt
kümmern S. und ich
dieses mal
uns zehn mal weniger um einander. — Gern nähm ich den
Einspänner; aber ich wende doch lieber mehr Geld auf,
um 4 Tage
früher bei dir zu sein. Eine Woche lang
könnt’ ich hier nicht mehr
aushalten. Habe Dank für
deine himmlische Liebe, der nichts fehlt
als das eben
so himmlische Vertrauen.
Auch Emma habe Dank. — Verrücke nur meine Papiere
und
Bücher nicht. Das Repositorium werde ja am
alten Orte einbe
festigt.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VII_434.html)