Von Jean Paul an Friedrich Carl und Paulowna Maria. Bayreuth, 17. November 1809.
Brieftext
widmet der Verfasser sein Buch in diesen Polymetern:
Der Fackeltanz.
Ich kenne einen schönern Fackeltanz der Fürsten als den kurzen
der Vermählungs-Feier, ich kenn’ ein Land, klein und licht, wo
Genien wohnen und den Fürsten Fackeln erschaffen und
reichen;
die Fürsten tragen sie in schöner,
leichter, nichts verletzender Be
wegung
umher, und hell wird es weit in fremde Länder hinaus.
Zwei
Genien und deren Gönnerin sind nicht mehr; aber die Gegen
wart reift fort und die Zukunft blüht
entgegen.
Streit der Perle mit der weissen Rose.
„Ich bin Ihr ähnlicher und gehöre Ihr mehr an als Du; denn
„ich glänze rein“ — sagte
die Perle.
Aber ich trage die Unschulds Farbe noch heller — sagte die
weisse Rose — ich bin ähnlicher.
„Aber mein Werth verwelket nicht“ —
Aber ich hauche Lebens-Frühling dem Zephyr zu.
„Und ich berühr’ als blasser Schmuck Ihr Haupt.“
Und ich ruh’ an Ihrer Brust zuweilen. — —
Plötzlich that eine rothe Rose alle ihre jungen Reize aus
ein
ander und sagte im
blühenden Prangen: wetteifert nicht so ver
geblich, ihr Schönen! Ich bin Ihr
ja auch ähnlich.
Die Schönheit.
Wie in Zimmern mit rosenrothem Spiegelglase jedes Angesicht
blüht und überall Morgenröthe umher liegt: so verschönert
und
verjüngt die Schönheit alles was sie umgibt. Sie —
der Frühling
der Gesellschaft — wärmt jede Kraft zum
Aufblühen und die ge
sellige Prose zur
einsamen Poesie — das Alter wird jugendlich,
die Jugend
wird ernst — jedes Herz bewegt sich mit neuer freudiger
Macht — und deutsche Zepter richten sich als zartgezogne
Magnet
nadeln nach Norden.
Die Zueignung der Dämmerungen an Zwei.
„Zweierlei Dämmerungen, die des Abends und des Morgens
„eignest du zu, Ihm und Ihr; und
beiden durch dasselbe Wort;
„wie rechtfertigst du was du
wagst?“ —
Beides durch den Himmel; über eine Dämmerung regiert der
Abendstern, auch der Stern der Liebe genannt; die andere Däm
merung beherrscht der Morgenstern, der Licht-Träger
genannt. So
mögen auch meinen Dämmerungen (ist der Wunsch)
zwei günstige
Sterne scheinen!
„Aber beiden sagst du einerlei Wort?“ —
Am Himmel ist Abend- und Morgen-Stern nur einer und eins.
Ihrer herzoglichen Hoheit
und
Ihrer kaiserlichen Hoheit
Jean Paul Fr. Richter
1809.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VI_189.html)