Von Jean Paul an Emanuel. Bamberg, 26. August 1810, Um 4½ Uhr bis 6½.

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Brieftext


Bamberg d. 26. Aug. 1810
Um 4½ Uhr

Nichts ist für mich einheimischer als im Gasthofe nichts früher
— ein Paar Gläser ausgenommen — zu nehmen als die Feder.
Otto weiß dieß. So sitz’ ich denn hier im goldnen Adler, trefflich
angekommen und aufgenommen. Vom hiesigen Felsenkeller-Bier
will ich zwar nicht lange reden — denn trinkt man eben so lange
davon, so kann man über gar nichts mehr reden; und darein setzt
es eben seine Tugend, gleich der höchsten Entzückung nur stammeln
zu lassen — aber wol von den hiesigen Lohn- und Lehn-Lakaien.
Dazu werden nun in diesem Gasthofe blos schöne — Mädchen 30Es sind 3 Schwestern für meinen Gasthof. Die, die ich habe, ist nach
meinen gewissenhaften Prüfungen sehr keusch.

genommen — wahrlich ich war ganz erstaunt und erfreuet darüber.
Seit einer halben Stunde ist die zarte mit meinen Karten fort; —
insofern wäre mir freilich ein Pudel, zumal ein weiblicher, lieber,
weil er mir früher alles in seinem Maule zurück brächte; indeß
kann ich sie ja nachher — ansehen. Meiner Frau sagen Sie nichts
davonJetzt hats keinen Anstand, da ich leider den Brief selber mitbringe.
— also auch Amoenen nicht —; es ist genug, wenn Sie
oder Otto ihr ganz andere Texte erklären und Predigten lesen. Beim
Himmel! —


Um 5½ Uhr

Noch ist der Lehn-Lohn-Lakai nicht da — und doch pass’ ich auf den
Lakai. Ich glaube fast, Leute seines Gelichters könnten mich mit
der Sitte der Großen versöhnen, sich von Lakaien aus- und an
ziehen zu lassen; zumal bei einer Erwiederung, die die Menschlich
keit ohnehin fodert.


Um 6 Uhr

Der Lakai ist noch nicht da. So martert uns das Leben, nicht
etwan das Jahr, das Jahrzehend, sondern die Stunde, der Augen
blick — Kurz der Lehn-Lakai ist noch nicht da. Sie sollen seine
Ankunft wenigstens auf der nächsten — Seite erfahren.


6¼ Uhr

Der Teufel hole Leute, die nie zum Wegschicken und Wieder
kommen gemacht sind: noch pass’ ich, bin aber begierig.


Eben ist der köstliche Lehnlakai angekommen, hatte aber — so
sehr verkennt man Lakaien und Weiber — während meiner Schreib
zeit meineAuch ist der Weg zu H. v. Kalb eine halbe Stunde lang, und der zur
Gräfin Rotenhan nicht kurz.
Weste trefflich gewaschen. Ich hatte nämlich 2 im
Koffer, wovon die eine durch die zersprungne Geldrolle ange
schwärzt wurde — indeß sonst Geld umgekehrt rein und glänzend
macht — und die andere hatte vom Boden des Koffers allen Koth
sehr gut weggesäubert, nur daß ich nicht den Koffer sondern die
Weste tragen muß. Sehr weiß seh’ ich am Nabel jetzt aus, durch
die Treffliche mit schwarzen Bändern.


Himmel! welch ein Bier! Kaum eine Maß hab’ ich getrunken.

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 6. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1952.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: SBa. 4 S. 8°. J: Denkw. 1, 230×. 133,2 lassen] aus machen 3 diesem Gasthofe] aus dieser Stadt 28 während meiner] aus in dieser 30 meinen Gasthof] aus mehre Gasthöfe 134,7 Kaum] aus Erst

Die Schrift des unvollendet gebliebenen Briefes zeugt von der zunehmenden Wirkung des Bamberger Biers. Über diesen kurzen Besuch Jean Pauls in Bamberg vgl. Funck S. 49ff. Jean Paul überbrachte Briefe von Charlotte von Kalb an ihre jüngere Schwester Eleonore und deren Mann, den Präsidenten von Kalb; vgl. Kalb Nr. 110,111, 115. Gräfin Rotenhan: Dorette Henriette, geb. Freiin von Lichtenstein (1765—1837), Witwe des 1798 verst. fürstl. Bambergischen Oberstallmeisters Grafen Philipp von Rottenhan, Mutter des Grafen Karl, s. Nr. 529.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VI_340.html)