Von Jean Paul an Caspar Friedrich Freiherr von Schuckmann. Bayreuth, 20. Mai 1811.
Brieftext
„Endlich sehen wir uns beide wieder, obwol geistig und am Schreib-,
nicht am Eß- und Sprechtische; und erst eine Reihe Pferde
trägt
meine Gedanken zu Ihnen.“ Fast möcht’ ich in diesem
seltsamen
Tone fortfahren; so lebhaft kommen mir in
dieser Minute unsere
alten früheren Stunden mit vergeblichen
Nachwünschen in die
Bayreuther Einsamkeit zurück, die
Stunden, wo uns statt der
Chaußéen nur das Tischbret schied.
Aber Tempi passati ist die
Parole
des 19ten Jahrhunderts.
Ich gehe gerade zu aus der Erinnerungs-Poesie in die Gegen
warts-Prosa über und lege Ihnen meine Bitte vor, wenn sie
anders
das Recht hat, etwas mehr als eine Frage zu
sein.
Nämlich Ihr König gab mir 1801 die Anwartschaft auf eine
Präbende. 5 Jahre später wurde auf meine Bitte das
Versprechen
wiederholt. Da nun jetzt zufolge der
anerkannten Gerechtigkeit des
Königs bei der Veräußerung der
Domänen die entschädigt werden,
welche Präbenden genossen: so
wag’ ich die Frage, ob ich nicht
für den Verlust so
schöner alter 10 jähriger Hoffnungen einige Ver
günstigung von des Königs Gnade zu erwarten habe. (Die Ab
schreiberin der Beilage, meine Frau, grüßt
wie ich Sie und Ihre
Gemahlin herzlich.) Sie haben mir schon öfter helfend Ihre
Hand
gereicht; daher wär’ es unschicklich, Ihrer Güte durch Bitten
so
wie Ihrer Einsicht durch Gründe vorzugreifen.
Einen Gewinn
trägt mir hoff’ ich in jedem Falle dieses Blatt
— nämlich eines
von Ihnen.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/VI_486.html)