Von Jean Paul an Emanuel. Bayreuth, 23. April 1807.
Brieftext
Guter Emanuel! Warum soll ich Ihnen immer nur Billets,
und
nicht auch einmal einen langen Brief schreiben? Dieß
ist das einzige,
womit ich Sie noch überraschen kann. Auch muß
es Ihnen in Ihrem
weiten Schloße wol thun, auf einmal in meine
enge Mansarde
zurückgezaubert zu sein. — Unsere neueste
Neuigkeit hier ist ein
zweiter Brief von Otto (an Amoene), worin sogar ein Friedens
Schimmer mitkam.
Sonst ist nichts Wichtiges vorgefallen außer daß ich mit dem
Wetter täglich mehr Recht habe, wie Sie besonders von Morgen
an
am kühl-schönen Mai sehen werden. — Meine neuliche Krankheit
gäb’ ich für kein Oxhoft Wein weg; sie hat mich an mein altes
Magen-Stärkmittel erinnert, an den Bitterklee. Seit daß ich ihn
trinke, kann ich so viel essen und verdauen als mein Bruder
der Bal
bier, und abends trinken was ich will,
ohne Kosten des Morgens.
Ich habe gestern unsere Freundinnen
auf eine bittere Partie für
heute eingeladen; mit einem
Theelöffel voll gedenk’ ich die Gesell
schaft zu sättigen; nur wird sie leider etwas anderes nachtrinken
wollen. — Sogar meine geistigen Arbeiten glücken mir seit
der
Unterleibs Musterung besser; und ich versteige mich
jetzt sogar ins
satirische Fach, z. B. im „Zirkelbriefe des
Feldprediger Geiserich
„Schmelzle an seine Freunde, sein Davonlaufen und seinen
Muth
„betreffend.“
Meine Frau will noch Raum für ihre Feder; die wie Sie wissen,
gern einen geräumigen einnimmt. Schrieben die Weiber die
Bücher:
so kämen wahrscheinlich Papiermühlen an die Stelle
schöner
Windmühlen. Grüssen Sie unsere gute Renate recht
herzlich und
sagen Sie ihr meine Theilnahme so wie an der neulichen
Wunde
so an dem Heilmittel, das jetzt die Vorsicht darauf
legte. Obiges
beweiset, daß ich an sie geschrieben. — Und mein Uhlfelder und
mein Emanuel seien auch recht
gegrüßt! —
N. S. Um 11 Uhr, da Ihr H. Bruder da ist. Meine Frau kann
schreiben auf was sie will. Die Hauptsache ist mein
Verwundern
und mein Neid, daß Thieriot den närrischen Streich so gut aus
geführt. Himmel, ich wollt’ ich wäre
dabei gewesen, oder hätt’
es selber gethan. Dafür verdient
er einen ausgezeichneten Gruß
von mir hier auf der Stelle.
Ich denke, er ist, wenn nicht zu lesen,
doch zu
sehen. Der Spaß erfreuet mich in Einem fort.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/V_357.html)