Nr. 3 Ministerrat (23. Juli 1914–22. November 1916)
RS.Reinschrift; P. Ehrhart; VS.Vorsitz Stürgkh; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Stürgkh 27. 7.), Georgi, Hochenburger, Heinold, Forster, Hussarek, Trnka, Schuster, Zenker, Engel, Morawski.
I. LoyalitätsbekundungenHuldigung Der Ministerpräsident teilt mit, dass Se. Majestät die in der Sitzung des 25. d. M. beschlossene au. Huldigungskundgebung des Ministerrates in Gnaden entgegenzunehmen und einer unmittelbar an die Person des sprechenden Ministers gerichteten Ah. Danksagung für würdig zu erachten geruht habe3. Der sprechende Minister verliest sohin den Wortlaut des Ah. Telegrammes:
„Die im Namen des in ernster Stunde versammelten Ministerrates zum Ausdrucke gebrachten Gefühle unbegrenzter Hingebung habe Ich mit lebhafter Befriedigung zur Kenntnis genommen und Ich danke Ihnen sowie sämtlichen Teilnehmern an dem Ministerrate wärmstens für dieses neuerliche Zeichen erprobter Loyalität und Treue. Franz Joseph.“
Der Ministerrat nimmt diesen Beweis Ah. Huld und Gnade mit ehrfurchtsvollstem Dank zur Kenntnis.
II. KriegssicherheitsmaßnahmenLänder Der Ministerpräsident teilt mit, er habe es für notwendig gefunden, die Landeschefs über gewisse Gesichtspunkte zu orientieren, welche in Anbetracht des Bevorstehens kriegerischer Verwicklungen auf dem Gebiete der gesamten Staatsverwaltung unverwandt im Auge zu behalten seien.
Er habe demgemäß im Einvernehmen mit dem Minister des Innern an die genannten Funktionäre vertrauliche Schreiben gerichtet, deren Tenor auf den Gedanken hinauslaufe, dass in der gegenwärtigen Situation alle anderen vom Standpunkte der Verwaltung wahrzunehmenden Bedürfnisse hinter jene Zwecke, zu deren Erreichung die Armee aufgeboten sei, und damit auch hinter die Bedürfnisse der Wehrmacht selbst zurückzutreten haben. Der sprechende Minister verliest sohin den anverwahrten Wortlaut dieser Schreiben4. Der Ministerrat nimmt diese Mitteilungen mit der Maßgabe zustimmend zur Kenntnis, dass diese Gesichtspunkte auch den höheren Funktionären der Zentralstellen in geeigneter Weise zur Kenntnis zu bringen sein werden5.
III. KreditwesenStundung Der Justizminister erbittet die Zustimmung des Ministerrates zur Erwirkung einer kaiserlichen Verordnung, wodurch der Justizminister zur Erlassung wechselrechtlicher Moratorien ermächtigt wird6.
Die Rückwirkungen, welche kriegerische Verwicklungen auf das wirtschaftliche Leben äußern, machen sich auf dem Gebiete des Wechselverkehres wegen der dem Wechselrechte eigenen Strenge besonders fühlbar, weshalb während der letzten großen Kriege regelmäßig Wechselmoratorien erlassen wurden. Diese Moratorien bezwecken einerseits einen Schutz des Hauptschuldners, der wegen der Verkehrs- und Geschäftsstockungen seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen kann, anderseits Vorkehrungen zugunsten der Wechselgläubiger, denen die kriegerischen Ereignisse die Einhaltung der Präsentations- und Protestfristen unmöglich machen. Durch die zu erwirkende kaiserliche Verordnung soll dem Justizminister nur die Ermächtigung erteilt werden, nach Maßgabe der entstehenden Verkehrs- und Geschäftsstockungen für einzelne Gebiete der im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder wechselrechtliche Moratorien zu erlassen und in dringenden Fällen diese Ermächtigung auch an den Chef der politischen Landesbehörde oder den Präsidenten des Oberlandesgerichtes zu übertragen. Der sprechende Minister beabsichtige jedoch von der Fakultät, die ihm gegebene Ermächtigung an andere Faktoren zu übertragen, nur in dem eingeschränktesten Maße Gebrauch zu machen. Er gedenke vielmehr, sich in der Regel die Erlassung von Moratorien selbst vorzubehalten, wobei er, wie dies nach der Natur der Sache selbstverständlich sei, im Einvernehmen mit den wirtschaftlichen Ministerien vorgehen und in weittragenden Fällen je nach der Sachlage auch die Zustimmung des Ministerrates einholen werde. In der sich an diese Ausführungen knüpfenden Diskussion wird die Frage erwogen, ob nicht auch auf anderen Gebieten als jenem der wechselrechtlichen Verbindlichkeiten, so insbesondere hinsichtlich der Rückzahlung von Einlagen durch Banken, Sparkassen und Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, gewisse Stundungsmöglichkeiten zu schaffen wären. Hierbei würde aber unter allen Umständen mit der äußersten Behutsamkeit vorzugehen sein, um nicht in das Wirtschaftsleben Momente großer Beunruhigung hineinzutragen.
Der Ministerrat erteilt sohin dem Justizminister die erbetene Zustimmung. Die allfällige Berücksichtigung analoger Bedürfnisse auf anderen Gebieten als den wechselrechtlichen wird abgesonderten Verhandlungen der Ressorts vorbehalten, bei welchen das Justizministerium die führende Rolle zu übernehmen hätte7.
IV. MilitärRecht, öffentliches Der Justizminister erbittet und erhält die Zustimmung des Ministerrates zur Erwirkung einer kaiserlichen Verordnung über Ausnahmsbestimmungen auf dem Gebiete des Verfahrens in bürgerlichen Rechtsangelegenheiten für Militärpersonen und ihnen Gleichgestellte.
Die in der Zivilprozessordnung für den Kriegsfall getroffene Vorsorge sei nicht ausreichend, um die zu Kriegsdiensten herangezogenen oder sonst in der Rechtsverfolgung behinderten Personen vor jedem vermeidbaren Schaden zu bewahren. Die zu erwirkende kaiserliche Verordnung soll nun die bestehende Lücke ausfüllen und die Möglichkeit bieten, die durch den Kriegsfall betroffenen Militärpersonen sowohl dort, wo sie als Beklagte, als auch in Fällen, wo sie als Kläger auftreten, vor den mit Fristversäumnissen verbundenen Nachteilen zu schützen8.
V. SteuerwesenGemeindeabgaben Der Minister des Innern erbittet und erhält die Zustimmung des Ministerrates zur Erwirkung der Ah. Sanktion für den vom Krainer Landtag beschlossenen Entwurf eines Gesetzes, wirksam für das Herzogtum Krain, betreffend die Einhebung eines 40%igen Zuschlages auf die direkten Steuern im Straßenbezirk Seisenberg für das Jahr 19149.
VI. Auszeichnungen Der Minister für Landesverteidigung erbittet und erhält die Zustimmung des Ministerrates zur Erwirkung des Ritterkreuzes des Franz-Joseph-Ordens für den Stadtbaumeister Josef Sturany in Wien. Der Genannte hat sich im Interesse der österreichischen Gesellschaft vom Roten Kreuze und insbesondere als Delegierter dieser Gesellschaft beim Bau der Kaiserin-Elisabeth-Gedächtniskapelle in überaus verdienstvoller Weise betätigt10.
VII. Auszeichnungen Der Minister des Innern erbittet und erhält die Zustimmung des Ministerrates zur Erwirkung des Ordens der Eisernen Krone III. Klasse für den Bürgermeister der Stadt Chrudim, Advokaten Dr. Franz Wagner. Der Genannte, welcher seit 1904 als Bürgermeister in Chrudim wirkt, hat sich um die Entwicklung dieses städtischen Gemeinwesens außerordentlich verdient gemacht11.
VIII. Auszeichnungen Der Minister des Innern erbittet und erhält die Zustimmung des Ministerrates zur Erwirkung des Ordens der Eisernen Krone III. Klasse für den Hof- und Gerichtsadvokaten Dr. Edmund Kornfeld in Wien. Der Genannte ist seit 29 Jahren als Advokat tätig und fungiert seit 20 Jahren als ständiger Rechtsanwalt des galizischen Landesausschusses vor dem Reichsgerichte und dem Verwaltungsgerichtshofe. Er hat in dieser Funktion durch umsichtige und geschickte Besorgung der rechtsanwaltschaftlichen Geschäfte die Interessen des Landes bereits wiederholt wirksam gefördert12.
IX. Auszeichnungen Der Minister für Kultus und Unterricht erbittet und erhält die Zustimmung des Ministerrates zur Erwirkung des Großkreuzes des Franz-Joseph-Ordens für den römisch-katholischen Bischof in Przemyśl, Dr. Josef Pelczar. Der Genannte, welcher angesichts seines überaus anerkennenswerten Wirkens bereits mit dem Orden der Eisernen Krone II. Klasse sowie durch Verleihung der Würde eines Geheimen Rates ausgezeichnet wurde, erscheint mit Rücksicht aus seine seither erworbenen in der ausgezeichneten Verwaltung der Diözese sowie insbesondere in der Vorsorge für den priesterlichen Nachwuchs und in sozialer Fürsorgearbeit gelegenen Verdienste eines neuerlichen Ah. Huldbeweises vollkommen würdig. Den äußeren Anlass bietet das 50-jährige Priesterjubiläum Pelczars13.
X. Auszeichnungen Der Minister für Kultus und Unterricht erbittet und erhält die Zustimmung des Ministerrates zur Erwirkung des Ritterkreuzes des Franz Joseph-Ordens für den Professor an der Staats-Oberrealschule in Laibach Josef Wenzel. Der Genannte, welcher seit 29 Jahren im Lehramte tätig ist, zeichnet sich durch vorbildliches Wirken als Lehrer und Erzieher sowie durch nennenswerte wissenschaftliche Leistungen aus14.
How to cite
Die Ministerratsprotokolle 1848–1918 (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/mrp-static/MRP-3-0-08-1-19140727-P-0003.html)