Nr. 17 Ministerrat (23. Juli 1914–22. November 1916)

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Nr. 17Ministerrat, Wien, 1. September 1914

RS.Reinschrift; P. Ehrhart; VS.Vorsitz Stürgkh; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Stürgkh 1. 9.), Georgi, Hochenburger, Heinold, Forster, Hussarek, Trnka, Schuster, Zenker, Engel, Morawski.

  • I. Erwirkung der Ah. Sanktion für den vom niederösterreichischen Landtage beschlossenen Gesetzentwurf betreffend die Einhebung von Kanaleinmündungsgebühren in der Gemeinde Langenlois.
  • II. Erwirkung der Ah. Sanktion für den vom mährischen Landtage beschlossenen Gesetzentwurf betreffend die Einhebung einer Mietzinsauflage in der Gemeinde Julienfeld.
  • III. Erlassung einer Verordnung des Gesamtministeriums, womit Ausnahmen bezüglich des Kautionserlages bei Vergebung staatlicher Lieferungen und Arbeiten verfügt werden.
  • IV. Ankauf von Getreide in Rumänien.
  • 6946 Protokoll des zu Wien am 1. September 1914 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Ministerpräsidenten Grafen Stürgkh.
    I. Erwirkung der Ah. Sanktion für den vom niederösterreichischen Landtage beschlossenen Gesetzentwurf betreffend die Einhebung von Kanaleinmündungsgebühren in der Gemeinde Langenlois

    I. SteuerwesenGemeindeabgaben Der Minister des Innern erbittet und erhält die Zustimmung des Ministerrates zur Erwirkung der Ah. Sanktion für den vom niederösterreichischen Landtage beschlossenen Entwurf eines Gesetzes betreffend die Einhebung von Kanaleinmündungsgebühren in der Gemeinde Langenlois3.

    II. Erwirkung der Ah. Sanktion für den vom mährischen Landtage beschlossenen Gesetzentwurf betreffend die Einhebung einer Mietzinsauflage in der Gemeinde Julienfeld

    II. SteuerwesenGemeindeabgaben Der Minister des Innern erbittet und erhält die Zustimmung des Ministerrates zur Erwirkung der Ah. Sanktion für den vom mährischen Landtag beschlossenen Entwurf eines Gesetzes betreffend die Einhebung einer Mietzinsauflage in der Gemeinde Julienfeld4.

    III. Erlassung einer Verordnung des Gesamtministeriums, womit Ausnahmen bezüglich des Kautionserlages bei Vergebung staatlicher Lieferungen und Arbeiten verfügt werden

    III. BauwesenBauten, begünstigteArbeitslosigkeitBauwesen Der Handelsminister erbittet die Zustimmung des Ministerrates zur Erlassung einer Verordnung des Gesamtministeriums, womit Ausnahmen bezüglich des Kautionserlages bei Vergebung staatlicher Lieferungen und Arbeiten verfügt werden.

    Bei den Verhandlungen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit während der Kriegsdauer ist auch die Durchführung staatlicher und sonstiger öffentlicher Bauten ins Auge gefasst worden5. Da nun die in der Gesamtministerialverordnung vom 3. April 1909, RGBl. Nr. 61, enthaltenen Bestimmungen über den Erlag von Kautionen bei Vergebung staatlicher Lieferungen und Arbeiten6 insoferne ein Hindernis bilden, als die Bereitstellung der Kautionssummen unter den gegenwärtigen Geldverhältnissen den Einzelnen oft nicht möglich ist, soll durch die geplante Verordnung den kompetenten Behörden die Möglichkeit geboten werden, gegenüber jenen Bestimmungen die erforderlichen Erleichterungen zu bewilligen. Der Leiter des Finanzministeriums betont, dass für den Fall, als vom Kautionserlag Abstand genommen wird, in anderer Weise Garantien für eine korrekte Durchführung des Baues gefunden werden müssen. Der Minister für öffentliche Arbeiten erklärt, dass in dieser Beziehung die erforderlichen Kautelen geschaffen werden.

    Der Ministerrat erteilt sohin die erbetene Zustimmung7.

    IV. Ankauf von Getreide in Rumänien

    IV. HandelsangelegenheitenNahrungsmittel Der Ackerbauminister macht darauf aufmerksam, dass [die] diesjährige Ernte allein nicht ausreichen würde, um den Nahrungsbedarf der Armee und der Bevölkerung während des ganzen Jahres zu decken.

    Es würde sich nun vielleicht die Möglichkeit ergeben, in Rumänien ein Quantum von zwei bis drei Millionen Meterzentner Getreide aufzukaufen. Eine gewisse Erschwerung würde allerdings ein anscheinend in den letzten Tagen in Rumänien erlassenes Ausfuhrverbot bilden, doch werde es vielleicht möglich sein, darüber hinwegzukommen8. Der sprechende Minister beabsichtige dieser Angelegenheit näher zu treten und werde selbstverständlich hiebei im Einvernehmen mit den beteiligten Ressorts vorgehen, sowie im entscheidenden Stadium nochmals im Ministerrat darauf zurückkommen. Der Leiter des Finanzministeriums betont, dass insbesondere auch die Mitwirkung seines Ressorts bei den einschlägigen Verhandlungen unerlässlich sei9, denn die Angelegenheit habe nicht nur eine große finanzielle Bedeutung, sondern sie komme auch möglicherweise unter dem Gesichtspunkte der Goldzahlung ins Ausland währungspolitisch in Betracht. Der Ackerbauminister bezeichnet die Ingerenz des Finanzministeriums als selbstverständlich.

    Der Ministerrat nimmt sohin diese Mitteilung zur Kenntnis10.

    Wien, am 1. September 1914. Stürgkh. Ah. E.Allerhöchste Entschließung Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien, am 16. Dezember 1914. Franz Joseph.

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    2978-3-7001-9298-5
    3Heinold brachte diese Angelegenheit gemeinsam mit jener von Tagesordnungspunkt II am 4. 11. 1914 zum Vortrag, der mit Ah. E.Allerhöchste Entschließung v. 12. 11. 1914 im Sinne des Antrages entschieden wurde, ., Kab. Kanzlei, KZ. 2419/1914, das hier behandelte Gesetz v. 12. 11. 1914 wurde publiziert als Nr. 142/1914.
    4Zum Vortrag siehe Anm. 1. Das Gesetz v. 12. 11. 1914 wurde publiziert als Nr. 95/1914.
    5Das Thema Arbeitslosigkeit zu Kriegsbeginn war erwähnt worden in MR. v. 24. 8. 1914/IV im Zusammenhang mit dem Problem der Einstellung des zivilen Eisenbahnverkehrs.
    6Kam zur Sprache in MR. v. 3. 4. 1909/X. Das Protokoll liegt nicht mehr ein.
    7Diese Verordnung wurde ohne Einholung einer Ah. E.Allerhöchste Entschließung erlassen und am 1. 9. 1914 publiziert als Nr. 229/1914. Im MR. v. 13. 10. 1914/I wurde über den Rechtsstatus eines begünstigten Baues weitere Erleichterungen für Bauaufträge besprochen.
    8Dazu , 2; , Die Regelung der Volksernährung im Kriege, 48, 119.
    9Aus dem Kommentar des Innenministeriums zu einem Schreiben von Finanzminister Engel v. 20. 9. 1914 an Ackerbauminister Zenker, in dem Engel Bedenken gegen die staatlichen Getreidekäufe äußerte (siehe Anm. 8) und die Ankäufe in Rumänien für abgetan erklärte, geht hervor, dass der Standpunkt des Finanzministers den Ministern bekannt war,., IM., Präs. 12815/1914.
    10Vor August 1916 wurden eine Million Tonnen Getreide aus Rumänien nach Cisleithanien importiert, , Der wirtschaftliche Zusammenbruch Österreich-Ungarns, 49. Zum Getreideimport aus Rumänien siehe , Die Habsburgermonarchie XI/2, Tab. 65. Die Erleichterung der Getreideeinfuhr durch Aufhebung der Zölle, die der Ministerrat schon Anfang August gefordert hatte, MR. v. 8. 8. 1914/VI, konnte erst nach Zustimmung der ungarischen Regierung am 9. 10. 1914 erlassen werden, siehe dazu MR. v. 10. 8. 1914/III, Anm. 4. Ähnlich sollte die Verordnung bezüglich Warenverkehrs mit dem Ausland wirken, MR. v. 15. 9. 1914/IV. Am 22. 8. 1914 bezifferte das Kriegsministerium den militärischen Importbedarf an Getreide bis zur Einbringung der nächsten Ernte in einem Schreiben an beide Ministerpräsidenten mit 420.000 Tonnen.., IM., Präs. 12815/1914. Siehe auch , Die Habsburgermonarchie XI/2, Tab. 49. Das Kriegsministerium argumentierte gegenüber beiden Ministerpräsidenten, es müsse durch mehrere Maßnahmen Vorsorge getroffen werden (Verbot der Verwendung von Getreide und Biermalz zur Alkoholerzeugung, Einschränkung der Schweinemast, Einfuhren aus Übersee, Beschleunigung der Ernteeinbringung, zollfreie Lebensmitteleinfuhr). Das Kriegsministerium sei aber nicht zuständig und die vorgeschlagenen Maßnahmen kämen der Zivilbevölkerung ebenso zugute; grundsätzlich und im Sinne von § 4 der Verordnung vom 1. 8. 1914 über die Versorgung der Bevölkerung (MR. v. 31. 7. 1914/I) sollten die Regionalbehörden für die Ankäufe zuständig sein. Stürgkh beauftragte das Ackerbauministerium mit der Leitung der Angelegenheit. Das Kriegsministerium hatte allerdings selbst Ankäufe in Rumänien vor dem 20. 9. 1914 getätigt, denn mit einem Schreiben (K.) dieses Datumsteilte Engel Zenker zum Thema Import aus Rumänien seine Bedenken sowohl in staatsrechtlicher Hinsicht als auch wegen zu erwartender negativer Auswirkungen staatlicher Großankäufe auf die Preisentwicklung im Inland mit und wies dabei auf die Folgen von Ankäufen des Kriegsministeriums hin. Das Vorschieben privater Käufer werde durchschaut. In der Frage der Zuständigkeit der Regionalbehörden stimmte das Handelsministerium Kriegsminister Krobatin zu. Allerdings erübrige sich diese Bestimmung, da gegenwärtig keine Eisenbahnwaggons zur Verfügung stünden. ., IM., Präs. 12815/1914. Am 19. 9. 1914 hatte Sektionschef Simonelli vom Innenministerium die Erledigung der Weizenankäufe urgiert. Da sich die Interministerielle Kommission für Wirtschaftliche Mobilisierung nicht einigen konnte, verwirklichte das Ackerbauministerium die schon ins Auge gefassten Ankäufe nicht, ., FM., allg., Zl. 67667/1914. Anfang Oktober kam ein rumänisches Ausfuhrverbot für Getreide und Mehl hinzu, siehe Anm. 6. Das Innenministerium legte den Vorgang am 6. 10. 1914 wegen Unmöglichkeit der Beistellung der erforderlichen Transportmittel ad acta. ., IM., Präs. 12815/1914. Spätestens ab September 1914 waren die Transportwege von Rumänien auf dem Bahn- und Wasserweg wegen des russischen Vormarsches in Galizien und der serbischen Gebietsgewinne entlang der Donau unterbrochen; die siebenbürgischen Bahnen waren nicht leistungsfähig genug, vgl. 1: 356 ff.; , 2. Ein bevorstehendes Maisausfuhrverbot Rumäniens brachte der Landespräsident der Bukowina mit Schreiben v. 19. 11. 1914 Stürgkh zur Kenntnis, ., Ministerratspräsidium, Zl. 6290/1914. Im Dezember 1915 kam der erste Getreidevertrag mit Rumänien zustande, Die Kriegs-Getreide-Verkehrsanstalt, 27, 57, 66. Das Thema kam erneut zur Sprache im MR. v. 16. und 17. 2. 1916.

    How to cite

    Die Ministerratsprotokolle 1848–1918 (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/mrp-static/MRP-3-0-08-1-19140901-P-0017.html)