Von Jean Paul an Amöne Herold. Leipzig, 2. Oktober 1798.

Zum TEI/XML DokumentZur originalen Webseite

Brieftext

Leipzig d. 2 Oct. 98 .

Meine Amöne! Ihre Briefe werden immer mehr zu Lautensaiten
und Lautentönen. O gerade nach der Lesung Ihres lezten hätt’ ich
neben Ihnen in Hofek vor Bergen und Thälern stehen mögen; ich hätte
jenen Nachmittag wiederfodern mögen, wo wir in ruhiger befestigter
Freundschaft nebeneinander auf dem Felsen in das knospende Thal und
in unsere Seelen blikten. Wenn ich wiederkomme, Amöne, so sol nicht
einmal der Schatte eines dünnen Nebels dich verhüllen; aber dan, o
Liebe, nach unverfinsterten ewig-warmen Stunden, dan wird ihr Ende
desto schwerer drücken. Nur Einmal wenn ich Eines von Euch oder
Euch alle in meine neugebaueten Lagen führen könte! — Aber in Euere
komm’ ich, und Ihr nicht in meine! —

Ich denke an Ihr Tagebuch; giebt es keine Blätter darin, die jezt
vor mein Auge fliegen könten? Machen Sie wenigstens Briefe zu
Tagebüchern und verlangen Sie von einem unter Menschen und
Schreibereien eingesperten Menschen nicht die reiche Presfreiheit Ihrer
Hand! Schreibe bald und viel und froh, Amöne!

R.

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 3. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1959.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: Kunst- u. Altertümersammlung der Veste Coburg. 3 S. 8°; auf der 4. S. Adr.: Amoene. K: Amöne 2 Okt. J 1: Morgenblatt, 10. Sept. 1829, Nr. 217 (20. Okt. 1796). J 2: Otto 4,266. 101,35 nebeneinander] nachtr. H 102,8 vor] aus an H 9 unter] aus mit H 10 reiche] nachtr. H

Amöne war am Abend ihres Geburtstags (22. Aug.) mit Otto bei Mondschein in Hofeck gewesen (Otto 2,315); vgl. Bd. II, Nr. 683, 365, 27 .

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/III_133.html)