Von Jean Paul an Amöne Herold. Weimar, 5. Februar 1799.
Brieftext
Liebe Amöne! Ich schreibe Ihnen leider viel seltener als meine Liebe
und meine Hofnung, Antworten zu verdienen, es erlauben. Jezt
wird
mirs noch schwerer, da mir der Frühling in jeder
hellern Abendröthe
Vorboten schikt und mir den Weg zu den
Frühlingsfesten bei Ihnen
bahnet, die dieses Jahr noch
schöner und reiner sein werden als im
vorigen.
Gegen Ihren Wunsch nach einem Hofe sagt’ ich nichts, weil ich
hofte, Sie würden ihn nicht erfüllen können. Das Gegentheil wäre
etwas sehr Schlimmes — es würden 2 Einsame dadurch gemacht
—
die Einsame vertrüge sich nach allem was ich vom Hofe
gesehen, durch
aus nicht mit der
ewigen Wachsamkeit über jedes warme Wort, mit
der
nothwendigen Erkältung gegen jede Theilnahme und mit dem
Ekel
der Wiederkehr und des Zwangs. — So etwas scheinet leicht,
bis man im Falle ist; ich, der ich nun meinen Büchern eine eigne Auf
sicht über meine Zunge schuldig bin und
der ich unter so vielen Menschen
in die Schule der
Selbstbeherschung gehe, kan oft meine Lekzion
nicht.
Könten Sie nicht ¼ Jahr bei einer Dame als Freundin sein?
— Wär’ ich verheirathet: so solten Sie bald zwar keine Dame
aber
doch eine Freundin haben.
— Ihre Worte haben oft ein trauerndes Dunkel. Nehmen Sie es
weg vor dem Freunde, der Sie so innig so herzlich liebt und wie ich
so gewis weis, jedes Jahr mehr. O meine gute Amöne! Könt’
ich
dich öfter sehen? Wenn du mein neuestes künftiges Buch
liesest: wirst
du oft an dich und deinen alten Freund denken müssen. Die
Ver
gangenheit ist nicht veraltet in
meiner Brust! Lebe wohl, Geliebte!
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/III_200.html)