Von Jean Paul an Paul Emile Thieriot. Weimar, 11. April 1799.
Brieftext
Blos aus Zeitmangel zeigt’ ich Ihnen Wielands frohe Aufnahme
und lobende Beurtheilung Ihres Owens
nicht an; besonders Ihrer
Vorrede davor; nur ein gebietender Zufal verschiebt die
Einrückung
bis in das Maistük. Ihre Laune ist —
obgleich Wieland bemerkt, daß
Sie mich oft gelesen — auf einem schönen, und am Ende, originellen
Wege. Schicken Sie
doch die sehr gute Satire über das akademische
Schreien, aber aus Gleichnissen in Sorites transponiert, dem
Mer-
kur ins Haus.
Ihr intellektueller Fortschrit gefält mir, aber nicht Ihr moralischer.
Ihre Klage komt blos aus geistigem Luxus und aus der
Wahl-Wahl,
ich meine aus der zu freien Freiheit Ihrer
Arbeiten. — Der Mensch
wil gezwungen sein, sogar zum
Schönsten. — Ihre Buspsalmen sind
Dankpsalmen; und Sie wissen
es.
Guter Jüngling, sei fest — wähle einen ewigen Weg — verschmähe
die Leipziger Kleinlichkeit, besonders die akademische und litterarische
— das höhere Herz schlägt für etwas höheres als
litterarische An
zeiger — frage dich was du woltest auf
einer Insel — Lob ist nichts
ohne den Gegenstand — verachte
jenes und lebe dem Genius in
dir. —
Mein Vorschlag aber wäre, 1) kein Jurist zu werden (niemand passet
dazu weniger wie Sie; wiewohl jedes Entschliessen
besser ist als
jedes
Verzögern) 2) sondern ein Geiger und Autor zugleich, und
beides
à quatre mains, da zu jedem 2 gehören. — —
Es ist schlim, daß Sie von der Herzens Influenza, der
Eitelkeit
so viel reden — die Rede ist die Krankheit —
erhebe dich über Leipzig,
über Rezensionen, über diese Erde, aus Eile gemacht — und
über die
flatternde Zeit und dan frage auf dem Sterbekissen
das Herz: was es
gewolt? —
In Ihren Briefen gefält mir alles ausgenommen die Erwartung
einer Antwort.
Die „Wünsche“ sind sehr gut; im 2ten Aufsaz gefält mir nur
die
Einleitung. Beide biet’ ich dem Götterboten an.
Rechnen Sie auf mein immer längeres Schweigen und erschweren
Sie mirs nicht durch Ihres. — Dem bittenden Böttiger sagt’
ich
Ihren Namen und er wird Sie in Leipzig zu sehen trachten. —
Es 〈Sie〉 ist problematisch meine Reise nach Leipzig, wo alles
Bude ist, höchstens eine buchhändlerische. —
— Über Fichte’s Wahnsin mündlich oder gedrukt! —
Lebe froh, mein Paul, frage dich immer, was du woltest wenn keine
Menschen um dich ständen. Nim das Leben zugleich grösser und
froher!
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/III_241.html)