Von Jean Paul an Auguste Schlichtegroll und Adolf Heinrich Friedrich (ab 1808) von Schlichtegroll. Weimar, 3. August 1799.

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Brieftext

Weimar d. 3. Aug. 99 .

Mein guter guter Schlichtegroll! Ich mus einen Wiederschein,
einen Nebenregenbogen unserer Abende haben — und das ist auf dem
Briefpapier. Wir giengen schön auseinander; warum kommen die
Menschen nicht so an als sie abgehen? —

Im sinlichen Erfurt fand ich keine Wiederholung unsers Morgens,
nicht einmal schöne Gestalten. Ich blieb eine Nacht da, und diese fieng
gegen Nachmittag an. Indes hatt’ ich doch über den algemeinen
italienischen Hang zur Freude selber eine.

Sie haben bei mir die 3fachen Torturgrade einer 3fachen Bitte zu
überstehen: 1) die um rothe Titel-Buchstaben — 2) die um zufällige
Nachricht, wo im Herbst etwan eine chambre garnie auf einige
Monate zu finden 3) die um Waizenbier, damit ich das alles erlebe.
Die leztere bittet Sie blos das, daß Sie den Wirth Müller an sein
bewustes Versprechen erinnern lassen.

Meinen herzlichsten Grus an den humanen Humanisten Jacob[s]
— ich kan Ihnen nicht sagen, wie ihn meine ganze Seele liebt — und an
meinen redlichen hellen gefühlvollen Schlichtegroll; aber an seine
Auguste keinen, sondern das folgende Blat, das sie abschneiden
kan — —

J. P. F. Richter

Gute Auguste! Ich hörte und sah Sie noch drei Stunden hinter
Gotha. Wir müssen uns auf der frostigen Erde fast nach der Sehnsucht
sehnen; ich wil lieber den Schmerz der Sehnsucht haben als diese ent
behren. Sie gaben mir zu schöne Tage, liebe Freundin, durch Ihre Mühe
und Liebe; und ich konte nichts thun als sie — verleben. — Ich ziehe
zuweilen den Vorhang eines künftigen Winterabendes um einige Zolle
auf, wo wir 3 von neun bis elf Uhr in gesprächiger, stummer, musizie
render, scherzender Harmonie auf Einem Kanapée zusammenlebten;
aber haben wir denn schon die Maschinenmeister und Dekorazions
maler und den Apparat zu diesen holden Akten? —

Ich bitte Sie inständig, fals der edelmüthige Graf so viel Mühe
mit meinem Farbengesicht hätte als ich mit dem Original, wärs auch
nur die kleinste, — mir es offen zu sagen, damit ich ihm jede
nehme.

Habe tausend Dank für die Vergangenheit; und das Schiksal reiche
dir und deinen 4 Geliebten eine eben so schöne Zukunft! Lebe froh,
Gute Liebe Gute!

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 3. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1959.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: Berlin acc. ms. 1912. 143 (derzeit BJK). 4 S. 8°. Faksimile in Kürschners Deutscher National-Litteratur, 130. Bd. (1884), S. XXXIX—XLII. K: Schlichtegroll 3 Aug. A:IV. Abt., III.2, Nr. 242. 220,1 auf] davor hier K dem] nachtr. H 9 Titel-Buchstaben] danach (von einem Fürsten gegeben) K 31 wärs] nachtr. H 32 offen] nachtr. H

220,9 Wie sich aus A ergibt, hatte Schlichtegroll sich erboten, durchVermittlung des Ministers Frankenberg vom Herzog von Gotha einen Titel für Jean Paul zu erwirken. 12 Müller: der Wirt des Gasthofszur Silbernen Schelle in Gotha, vgl. 165, 22 . 30 Graf: nach A ein GrafLastik, der Jean Paul in Gotha gemalt hatte; vgl. zu Nr. 361 und Persönl.Nr. 81† .

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/III_298.html)