Von Jean Paul an Christian Otto. Weimar, 14. März 1800 bis 28. März 1800.
Brieftext
Ich wil ein wenig an dich schreiben, lieber Otto, bei
diesem Mörder
Wetter, das uns nur
darum den Himmel aufmacht, damit wir hinein
fahren, oder wie man prosaisch genug sagt, krepieren. In
meiner ent
fiederten Feder
stekt heute keine Flugkraft als blos zu Briefen, die mir
nicht Konfortativa abfodern sondern zutheilen. Auch mein Kopf hat
den Sakraments-Katarh und kan kein Leben mehr anders
födern als
durch die Nase, wodurch gerade Adam seines
bekam. Himmel! Wider
das algemeine Erwarten hab’ ich jezt Kraft! Wie ists zu
machen —
die besten Bücher würden dan daraus —, daß ich mir
vorsage, ich
schreibe stat ihrer einen Brief? Am Titan hätt’ ich heute keine \nicefrac{1}{300}
Zeile schreiben können.
Mein Verlust, wenn ich von meinen Herders scheide, ist
weder zu
ersezen noch zu vergleichen. Solche fortarbeitende
fortglimmende
Abende — ein solches Verstehen — eine
solche Ergiebigkeit — eine
solche Spashaftigkeit kan ich
nicht mehr selber haben oder bei andern
finden! Ich habe
endlich ein gewisses logisches Übergewicht über den
götlichen Pegasus
erfochten; nur mach’ ich zuviel Spas bei ihm und
preise
mich zu oft, was jezt er und die andern auch für ihr Bestes an
fangen. Übrigens bin ich der alte Nar
und die Hauptquästion jeden
Abend — öfter komm ich nicht —
ist blos, sobald mein Geliebter fort
ist um 10⅓ Uhr, wie
der Liebende von den 2 Mädgen fortzutreiben
sei. Wir haben einmal alle eine lange
Disputierübung über das (mein)
Küssen gehalten; und den
andern Tag bewies ich der Herder, wie sie
stolpere. Ich gehe nicht ab. Die wichtigste Eroberung, die
ich seit
Jahren gemacht, ist eben die Tochter, die mich
sonst „als einen zu ge
lehrten Hern“
vermied. Es liesse sich viel darüber sagen, d. h. denken,
daß diese Schöne — das schönste Mädgen in Weimar — nebst meiner
Cousine in voriger Woche abends in scherzender
Mägdetracht (mit
mütterlichem und väterlichem Vorwissen) zu mir gekommen
auf die
Stube, um mir ein Billet von der Luise Herder zu bringen was bei
liegt. Warlich, ich hatt’ es sogleich heraus aus den
niedlichsten Augen
und strafte auf der Stelle — Beccaria tadelt das Verschieben der
Strafen mit so vielem Recht — solche widerrechtliche
Täuschungen
des Publikums, so gut ich in der Eile
konte.
Mein Diner bestand heute in einem — Brechpulver. Ich hatte
2 Tage Katarhalfieber und Gal-Erbrechen (aber ausser dem
Bette);
um 3 Uhr war ich wieder kerngesund nach Verlust
Einer Maas Galle.
— Der gute Schaefer starb blos durch Doktors-Faust, Pfote, Klaue,
Taze.
Jezt wil ich einiges auf deinen beschämend-langen Brief antworten;
und mich auf Zeichen an dem Rand beziehen.
(Ich habe kein Briefpapier mehr und es ist Nacht)
die 2 Un-Männer. Nachher mehr davon.
schäme mich vor seinem Werth, ob ich gleich auch ein besseres Wesen
sein würde, wenn ich nicht in der Verwüstung und Betäubung und
Auseinanderreissung des poetischen Schaffens leben müste.
Und so bewundere ich auch deine eiserne Geduld und goldne Thätig
keit.
Institut ist vortreflich.
Hennings drukte es wie ichs verlangte; so daß nach Verhältnis des
Titans 8 Ld’or auf den philosophischen Bogen komt, was nur bei
poetischen erhört ist. Über Mazdorf irrest du sehr. Erstlich sezest du
ganz falsch voraus, daß er jede Ausgabe so stark macht als Eine
Auflage und sich so die ungeheuere Ausgabe einer 3fachen Simultan
Auflage aufbürde, die immer schwerer abgienge als eine sukzessive.
2) kont’ er ja in demselben Papier eine so grosse machen als er wolte
weil ich 3) ihm nichts vorgeschrieben. 4) Ist die 3te gar nicht da,
sondern nur einige Exemplare [auf] mein Begehren für mich und meine
Freunde. Auch stellest du dir den Absaz meiner Werke viel zu gros
vor. Md. Feind hat mich zu Neujahr redlich bezahlt.
edler und kentnisreicher Mensch — aber nicht den Tadel Spangen
bergs, ders gewis, ipso teste, gemacht.
hänge! Hat sie auch mein Herz verlassen wie die 2 andern?
keine so entsezlich lange.
eine Übertreibung der Wendungen schuld gab. In denen an mich
sündigst du nicht; in denen an fremde Personen immer bis zum Schein
der Eitelkeit, wenns nicht eine ist. Schicke mir nur Briefe z. B. an
Oertel, ich wil exzerpieren; erlaube mirs, einen zu verlangen.
den sogar in Hof niemand macht, das beschwör’ ich. Man wolte eine
Konsulesse weniger haben, das wars. — In Bayreuth wird dein Geist
unter Menschen, die Kentnisse haben und achten, aufleben und man
wird dich bald belohnen; den Titular-Titel würde dir ein ertrozter
haben ersparen können.
und leichtsinnig ist wie ein Mädgen, nichts gemein.
tät, wichtige Aktus noch durch zufällige Tage zu erhöhen, wie z. B.
die Liebmannin. Bei Gott! ein Hochzeittag ist für sich genug; und
alles Würzende darf höchstens der Zufal zuwerfen.
doch immer beim Arbeiten an und für dich. Ich hatte überhaupt blos
einen geheimen Plan auf mich, — mich nämlich zu nöthigen, den Plan
recht auseinanderzuwickeln. Denn ein Fremder kan einem vieljährigen
Nachdenken doch wenig helfen mit einem vielstündigen.
Damits nur fortkomt, wil ich fliegen, nicht gehen.
Gleim schikte mir in einer königl. Verschreibung auf die ostpreussi
schen Provinzen 500 fl. Aussteuer.
Man kan nichts sagen als im edlern
Sin: er ist ein
Deutscher.Aber ich verstehe den langweiligen
Schuldschein nicht, weis nicht wenn undwo Zinsen zu
erheben und was ich mit ihm thue. Soviel Weichheit, Flamme und
Originali
tät! — Karolinens Brief an dich wird
dir die zarte aber jungfräulich
scheue Seele zeigen. Ausser der Spangenberg hatte keine noch das
Maas des Schiklichen so fein; — so daß du oft mehr als
ich ihr an
pastest, wiewohl ich mich
(zuweilen) blos darüber wegseze ohne es zu
entbehren. — Unter allen Werbetrommeln zu einer Vierteljahrs
schrift hat die von Wilmans in Bremen die beste Haut
und Tönung;
er schrieb vorn herein die gewöhnlichen Schmeicheleien,
die so wenig
rühren, bis er beifügte, ich möcht’ es für
einen geringen Beweis seiner
Achtung etc. ansehen, daß er
etc. ein Kistgen mit Wein nach Braun
schweig etc. abgehen lassen.
Ich bin Mitarbeiter.
Auf eine eigne Art überraschten ich und Caroline uns
gegenseitig
mit unsern kameralistischen Verhältnissen; du wirsts aus
ihren Briefen
errathen.
Ein weicher Gott — nach den Flor-Tagen der ekelnden Krankheit —
stieg an meinem GeburtstagIch
feierte ihn des Frühlings wegen am 20ten; den wahren
weis ich nicht;
in Leipzig feierte ich 2 hinter
einander.
in mein Herz herab. Auguste schikte
mir die erste Schöpfung ihrer stickenden Kunst — Caroline eine, selber
Herdern entzückende, Stickerei —; Luise und die Herder einen
Blumenstok und Blumen und Biscuit; und um 11 Uhr kamen sie alle
selber, himlisch gekleidet. Ich weinte vor Freude und Liebe. Dan kam
D. Herder und D. Majer, und mein
[!] götlicher Mensch der Maler
Büri. Himmel! mir fehlte nur meines Ottos sehr vermister
Brief, der
1 Tag später ankam. Nachmittags schikte die Herzogin
einen blühen
den Rosenstok — für den Bedienten 1
rtl. douceur — und abends
as ich bei Herder wo allerlei zusammen gebeten war. Ach
nur die
10 Minuten, wo die Seele von der Nähe der Liebe
aufgelöset, heis und
weich zerflos, da war die Geburt. O Gott, wenn man
immerfort
lieben könte und dürfte und recht innig, was
brauchte man denn noch
auf der Erde oder hinter der Erde?
— Gute Caroline, ich sagte dir die
Zusammenkunft in Ilmenau
aus guten Gründen ab: köntest du es
wissen, wie sich jezt auf einem andern Blatte meine Seele
so unaus
sprechlich nach deiner reinen
frommen festen sehnt. — Wie wil ich dir
sagen, Otto, wie
ich sie achte! Nicht blos liebe; denn das ist immer so
leicht!
Giebst du nicht dem Bonaparte ein Paar Lorbeerkränze auf
seine
Krone? Ich trau’ ihm ganz, er wird wie Herkules den
Oelbaum
pflanzen; ja er wird, aber ohne die Grausamkeit, abdanken
wie Sylla.
Aber die Franzosen sind Lumpen. In Wien eine Karikatur; ein Kurier
oder Paul hatte ein Paquet unter dem einen Arm:
ordre; unter dem
andern eines: contre-ordre; auf
der Stirn: desordre. — Was sagst
du dazu, daß ich mit meinem Parisien auf die Fichtische Arena ge
treten? Nur nichts vom Mangel an
weichlicher Menschenliebe, die
allen Geiseln Gottes nur
zusehen sol. — So viel ist gewis, sie werden
mich blau und braun dreschen. —
Wäre Friede, so stimte ich ganz für Bayreuth. Es ist so
viel dafür,
obwohl einiges dagegen.
Deine Schwester sol schreiben, sie mag heissen wie sie wil. Dan
schreib ich ihr und wohl Wernlein. Im Winter nach
dem Essen lebte
ich oft in der Höfer Zeit. Ich machte das Brief-Archiv auf
und dan
giengen die alten Stunden freundlich vol alter
Rosenblätter vorbei
und schüttelten den Staub ab.
Er sol fort. Der Himmel hängt am Himmel. Mögest du recht ge
sund bleiben. Und mögest du doch endlich einmal im
künftigen Sommer
die feste ruhige Freude finden, die du so
gern verschenkst. Leb wohl
mein Alter!
Der Frau des Pegasus hab’ ich (durch meine Veranlassung)
100 Konvenz. rtl. geliehen.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/III_430.html)