Von Jean Paul an Emanuel. Weimar, 17. April 1800 bis 18. April 1800.

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Brieftext


Weimar d. 17. Apr. 1800 .

Mein alter Freund! Da ich leider sehe, daß alle Briefe der Menschen
immer mit Klagen und Reden über das Briefschreiben selber anheben,
und da ich also das sat habe: so wil ich — so sehr ich auch zu Klagen
gereizt werde nicht über Sie (denn Sie sind stets mit Briefen bei
der Hand und auf der Post) sondern über Otto, dem ich Sie zu sagen
bitte, er solle mir wenigstens die fremden, zumal die Jakobischen und
C. Briefe und an Oertel die andern zufertigen — einmal mich von der
Menge unterscheiden und meine Epistel besser anfangen.

Es lässet sich von Zeit zu Zeit immer mehr dazu an, daß ich nach
Bayreuth ziehen werde. Mein Dortsein wird Ihnen keine Plage
machen, aber leicht mein Hinkommen. Auch ich — wie alle Ihre
Freunde — brauche Ihre Hand, um in mein Glüks Nest zu steigen.
Sobald mein Hinziehen entschieden ist — gegen das blos der Krieg die
stärkere Einwendung macht — so werden Sie damit gemartert, daß
Sie mir ein trefliches Logement in oder ausser Bayreuth — das ich
schon näher, bis auf den Abtrit, bestimmen wil — auserwählen. Ja
Sie sollen mir sogar — denn wozu sol ich so viel Geld und Gold mit
Lebensgefahr neben meinem Bette aufgethürmet haben? — ein Stük
Feld kaufen (ausleihen werd’ ich keinen Kreuzer), das ich, es sei durch
Verpachten oder durch eigne Landwirthschaft (ich bin darin seit einigen
Jahren fest) schon so benuzen wil — bis zu 15 proc. oder doch 14½ —,
daß man sehen sol was ich von der Sache verstehe. Das ästhetische
und kunstliebende Weimar und gar das Herdersche Haus begegnet
mir freilich nicht wieder; aber die Bayreuther werden doch irgend
etwas haben, was einen nicht zu Tode ärgert. Spezifizieren Sie mir
einige der besten Köpfe woran und worin etwas ist. Ich wünsche sehn
lich daß ich den Liefländer fichtischen Doktor (sein Name wil mir nicht
beifallen) noch finde. Durch Sie und Otto wird es leichter werden,
nach den Bayreuthern nicht das Geringste zu fragen. Wie wird Sie,

guter Emanuel, mein zweites Herz liebhaben! Und wie werden Sie
diese Seltene lieben und achten!

d. 18 Apr.

Sagen Sie mir, Guter, ein Paar Worte über die Möglichkeit
meiner Träume.

Meine Fata wissen Sie vielleicht durch Otto, ich Ihre durch
niemand, Ihr fortgehendes Wohlthun ausgenommen, was bei Ihnen
Wohlsein ist. Ach warum wurde der gute Schaefer — in seinem Blut
ersäuft? Ich hätte dan einen Freund mehr; aber meine C. sol wenig
stens an seiner Witwe eine Freundin mehr haben. — Sie versprachen
mir viel von sich zu schreiben. Ich bitte Sie, mir bald zu schreiben,
weil ich schon zu Ende — Maies nach Berlin reise. „So treibt sich der
Mensch auf der Erde herum“ sezt man gewöhnlich dazu, als wär’ es
geistiger wenn er sich herumsässe oder sich austermässig anpichte.

Leben Sie wohl, mein Theuerer, Unvergesner, Hochgeachteter! Ihr
Schiksal sei wie Ihr Herz und Ihr jeziges Leben wie Ihr zweites!

Grüssen Sie Christian Otto!

Richter

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 3. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1959.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: SBa. 4 S. 8°. Präsentat: 26ten Apr. in Hof erhalten, 27ten beantw. K: Emanuel 17 Apr. J: Denkw. 1,89×. A: IV. Abt., III.1, Nr. 372. 321,9 ich alsodas] aus ichs also H sehr] aus viel H 13 und an Oertel die andern] nachtr. H 20 macht] aus ist H 22 bestimmen] aus malen H 26 eigne] aus eine H einigen] nachtr. H 27 fest] aus fester H 28 sol] aus kan H 33 fichtischen] nachtr. H 34 beifallen] aus einfallen H 322,9 ersäuft] danach (durchAderlas) K 10 mehr] aus (mehr?) H 13 wär’] aus wäre H 14 geistiger] aus besser H 17 Christian] nachtr. H

321,33 Liefländer Doktor: Seebeck, s. zu Nr. 21.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/III_446.html)