Von Jean Paul an Friedrich Benedikt von Oertel. Weimar, 12. August 1800.

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Brieftext

Kopie
[ Weimar, 12. Aug. 1800 ]

100 mal fang’ ich Briefe mit dem Datum an und sage nichts weiter.
Dein gediegner helpolierter Styl etc. machen mein Lob zu ihrem und
dadurch wieder zu meinem. — Weimar ist eine abgebrante Stadt, auf
deren heisser Asche ich noch schlafe. Jede Stadt scheint mir vor dem
Auszug eben so verkohlt. Die Poesie erbeutet bei dieser Völkerwande
rung durch Oerter und Herzen; aber das Herz [wird] ein armer
emigré; ich wolt’ ich wär’ ein réfugié in meiner Hochzeitstube. Wie
ausgebrant und brennend, leichtsinnig und traurig, stoisch, poetisch,
sat[irisch,] liebend, kalt, kek, sanft, weich etc. meine Seele jezt ist und
besonders in welchen Mischungen das alles miteinander — dazu
werd’ ich schwerlich einen biographischen Karakter finden, um es an
den Tag zu bringen, es müste denn mein eigner sein in meiner Selbst
biographie. Nun werden Roste geheizt und Physiognomien von mir
verfertigt, um sie darauf gahr zu braten. Wehmuth der Aeolsharfe
schwimt auf langen Wogen.

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 3. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1959.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

K (nach Nr. 505): Oertel 12 Aug. [aus 29 Jun.] i 1: Wahrheit 6,144×. i 2: Denkw. 1,388×.

Erst mit Nr. 507 abgegangen. Das Datum war offenbar auch in H abgeändert, wie bei Nr. 501. Der zweite Satz geht vermutlich auf OertelsRezension des Titan, s. 378,29 †.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/III_503.html)