Von Jean Paul an Emanuel. Leipzig, 12. Mai 1798.
Brieftext
Es ist mir lieb, daß H. Pfenninger, mein Silhouettenausschneider,
gerade Einen Tag vor meinem Abfluge nach Dresden einen
Empfeh
lungsbrief nach Bayreuth verlangt. Ich
empfehle ihn Ihnen, mein
Guter, hiemit, damit Sie ihn weiter empfehlen. Ein
Portraitmaler
erschöpft sich unter allen Künstlern am
ersten und braucht neue Städte
zu neuen Werken. Mein
dreiköpfiges Zerberus Portrait wird bei
Ihnen schon der
Fürsprecher seines Pinsels sein. Übrigens hat er hier
manches
andere noch viel besser der Natur weggeschnapt als meines.
Thun Sie was Sie können! —
Anlangend mich, so weis ich nicht wo mein Kopf steht, ausser nach
3 Tagen, wo er auf der Dresdner Brücke stehen sol. Die Fluten
der
Messe haben mich gegen alles, und alles gegen mich getrieben
und
ich halte eben meinen Kopf wie ein Seehund aus dem
Wasser und
zieh’ einmal Athem.
Ach wie lang und bedekt ist schon wieder die Zeit, wo wir uns alle
sahen, und ihre Blüten und Dornen! — Der Schmerz hatte sein
Stilet sehr spizig und scharf geschliffen, da ich mich in Hof von der
Freundschaft trente, ich meine nicht von der weiblichen! —
Sagen Sie Ihrem lieben Bruder noch selbst für seine Vatersorge
für mein Seelen-Gehäuse den warmen Dank, dessen Wiederholung
er
durch [seine]
verborgne Abreise entfloh, vielleicht zürnend, über meine
von
der Zeit befohlne Unsichtbarkeit bei ihm. —
Leben Sie ruhig, mein Geliebter und geben Sie mir bald eine Zeile
der Liebe!
Mein Logis ist beim Buchbinder Rüger neben der
Nikolaikirche.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/III_91.html)