Von Jean Paul an Friedrich Benedikt von Oertel. Hof, 20. Februar 1796.
Brieftext
In Ihr optisches Eden für unsern Lafayette — diesen
Epami
nondas, der das Feuer des Muths mit dem
stillen Licht der besonnenen
Tugend vereinigt — flog Ihnen gern
meine Seele nach und gieng
von Blume zu Blume darin,
indes die unsichtbare Musik stat d[es]
Zephyr[s] über die
hängende glükliche Insel flos. Das musikalische
Gemälde kan
ich nur nach der jämmerlichen Kopie erheben, die meine
Finger
davon zu nehmen wissen. Fremde Musik wandt’ ich nur zur
Windlade der eignen an. Ich kan in meiner Seele draussen unter dem
freien Himmel Harmonien und Melodien hören, die mich
musikalisch
zersezen; aber in die Finger kan ich jene so
deutlich vernommenen Töne
nicht heruntertreiben. Das ist der
Unterschied zwischen mir und dem
Talent, ich wil eines darüber
befragen — die 2 Red[en] müssen den
Ueberrest Ihnen
präsent[ieren] und es entschuldigen, daß
das Buch ein
Standquartier auf dem klassischen Boden
Ihres Bücherbrettes sucht —
reicher Brief vol Goldadern — Wie
sanft wird es uns im Frühling
thun, wenn uns — anstat daß
sonst nur Unglük die Menschen an
einander treibt, wie
Blizschläge, Stösse das Eisen magnetisch machen —
blos das
Glük verknüpft und Blumen und Frühlingweiden und der
sanfte Arm der neuen Natur.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/II_242.html)