Von Jean Paul an Wilhelmine von Kropff. Hof, 29. April 1796.

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Brieftext

Hof im Voigtland d. 29 Apr. 1796 .

Ich schreibe mit demselben Tropfen, womit ich den Brief an
unsern Freund beschliesse, an meine theuerste Freundin. Ich leg’ ihn
bei, damit Sie mir meine Irthümer anzeigen, (und ich sie wegnehme,)
in die mich das doppelte Feuer einer doppelten Freundschaft vielleicht
verleitet hat. Sein Brief ist noch nicht in der Asche: es hätte mich zu
sehr geschmerzt: ich erwarte jezt entweder die Wiederholung Ihres
Befehles oder die Dispensazion davon — so lang ich lebe, sind alle
Briefe bei mir so sicher als lägen sie noch in Ihrer Seele, und sterb’
ich, so sind sie in der Hand meines theuersten Freundes noch sicherer als
in meiner. Ich hebe seine Blätter, die mein Inneres wie die gelben
fallenden Blätter des Herbstes so vol wie meine Augen zurükgelassen
haben, blos für die schöne Seele auf, die sie vielleicht nach vielen
Jahren wiederbegehrt.

Ich wünschte, ich könte ihm meine 3 Blätter mit der schönen Be
gleitung schicken, womit sie zu mir zurükkehren.


Meine ganze Seele ist der Ihrigen offen und weit mehr als ich
sonst vor einer weiblichen nie gesehenen wagte: Ihr Herz sei Ihr
Lohn, wenn es öfter zu mir spricht als ich laut antworten kan. Sie
können nie zu viele Briefe geben, blos ich.


Ich reise im Mai (10 oder 14ten) nach Weimar und Leipzig; daher
bitt’ ich Sie, wenn ich Ihnen meine Zurükkehr melde, mir Ihre Ab
reise zu schreiben, damit ich meinen seeligen Flug nach Bayreuth in
die Zeit Ihrer Gegenwart treffen lasse. Ich habe so lang keine Flügel,
als sich die Ihrigen — bewegen. Ich bin mit täglich wachsender
Verehrung


Ihr
wärmster Freund
Richter.

N. S. Vergeben Sie die Eiligkeit der Absicht derselben.


N. S. Um sein Herz zu gewinnen, must’ ich es nachahmen und
ihn auf die Seite der kalten Vernunft durch das Mittel einer
warmen Sprache ziehen

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 2. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1958.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: Williams College. 4 S. 8°. K (nach Nr. 298): Kropf 29 Apr. J:Carter Nr. 1. B: IV. Abt., II, Nr. 87. 187,16 meine] aus diese H 22 die Parenthesenachtr. H

Minette hatte in B neuerdings gebeten, lindernden Balsam in dieschrecklich blutenden Wunden von Ahlefeldts Herzen zu träufeln: „... vonder unglüklichen Lage seines Hertzens hat er Sie, wie er mir gleichAnfangs schrieb, bei seiner persöhnlichen Bekandschaft unterrichtet, darum können Sie auch sehr offen mit ihm über diese Sache handeln; — michselbst macht diese Geschichte sehr unglüklich, — ob gleich nach derstrengsten Prüfung mein Gewißen mir dabei nichts schuld giebt, — ichhabe ihm [!] nie durch irgend etwas, auch nur zu den kleinsten Hofnungenberechtiget ...“ Sie hatte wieder einige Briefblätter Ahlefeldts an siebeigelegt mit der Bitte, sie nach Durchlesung zu verbrennen. Zur Bedingung ihrer weiteren Korrespondenz mit Jean Paul hatte sie gemacht,daß er ihr nur antworte, wenn er Zeit und Lust habe. Endlich hatte siegebeten, ihr die ungefähre Zeit seines Kommens zu schreiben, da sieeinige kleine Reisen vorhabe und untröstlich sein würde, wenn sie ihnverfehle. 187, 3f. Vgl. 147, 25f.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/II_304.html)