Von Jean Paul an Wilhelmine von Kropff. Hof, 23. Mai 96.

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Brieftext

Eiligst.
Hof d. 23 Mai 96.

Hier, beste Freundin, haben Sie die Nelkenabsenker meiner armen
Phantasie: ich wolte durch die Menge den Werth ersezen. Ich bin zu
nichts in der Welt ungeschikter — das Tanzen ausgenommen —
als zu solchen schönen Spielen: ich besorge, meine Einfälle sind noch
dümmer als ich selber. Sie haben aber einen so langen und schönen
Szepter über mich ausgestrekt, daß ich für Sie nicht blos die rühm
lichsten Handlungen begehen könte, sondern auch die sonderbarsten.

Ich schrieb Ihnen das vorigemal früher als ich meinen Otto ge
sehen hatte: er konte also erst heute die Güte Ihres melodischen
Herzens mit dem Echo des seinigen erwiedern und Ihnen für den
Antheil sogar an unsichtbaren Freunden danken.


Ich gehe nach Weimar den 30ten Mai abends. Sie sezen blos
meinen Namen und die Worte auf den Brief: abzugeben bei Fr.
von Kalb gebohrne v. Marschalk. Ich hoffe Ihnen noch einmal zu
schreiben. Der A[hlefeldsche] Brief war mir eine ofne Himmelsthür
ins Eden einer tugendhaften Seele.


Der Ihrigen gebe in der kurzen Nacht des Lebens das Schiksal schöne
helle Gestirne und Nachtviolen!


Ihr
innigster Freund
Richter

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 2. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1958.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: Williams College. 4 S. 8°. K: Minette 23 Mai 96. J: Carter Nr. 5. B: Nr 89. 198, 15f. gestr. K (vgl. I. Abt., V, 37)

Minette hatte einen Brief Ahlefeldts an sie (8.—14. Mai 1796) geschicktund um Mitteilung von Jean Pauls Adresse in Weimar, um Lösung eines ihr in einer Gesellschaft aufgegebenen Buchstabenrätsels und um einenGruß an Otto gebeten.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/II_318.html)