Von Jean Paul an Gottfried Andreas Schäfer. Hof, 25. Mai 1796.
Brieftext
Nachsichtigster Freund!
Denn leider können Sie nicht der meinige sein, ohne jenes zu sein.
— Hier send’ ich Ihnen vor Ablauf der peremptorischen Frist
und vor
dem meinigen nach Weimar die
elenden Kupferplatten-Kartons, die
Sie für Werke des Zufals auf den sandigen Scheiben
Chladni’s halten
sollen. — Da der Fürst höchstens die exekutive und die Themis
oder
das Volk die legislatorische Gewalt haben solte: so könte man
die
Themis vorstellen, wie sie ihr Schwert dem König giebt,
und diesen,
wie er ihr die Wage giebt (die sie leider jezt von
den Königen erst
bekömt, die doch auf ihr gewogen
werden solten). Ich glaube nicht,
daß Sie hinter dem Rücken
der Themis die Kammer postieren
werden, die ihr die Binde von
den Augen nimt und sie um den Hals
anknüpft zum Strangulieren.
— Oder Sie könten den Konsul Brutus
vorstellen lassen, der seine Söhne dem Geseze opfert; — oder
jenen
Sparter, dessen Kopf erst gekränzt wurde für
seinen Sieg, dan ab
gehauen für seinen Ungehorsam; oder auf
der einen Seite den an
archischen Wilden,
auf der andern uns sämtlich, oder einen Fürsten, der
kniende
Verbrecher und Suplikanten mit dem Szepter auf die Tafeln
des
Gesezes hinweist, die höher stehen als sein Thron, auf dem nichts
steht als die Themis, oder Geseztafeln.
Ich glaube unter allen diesen wird nichts etwas taugen als meine
Absicht, Ihren Wunsch — obwol nicht durch meine Phantasie doch
— durch mein Herz zu verdienen. Mit ganzer Seele
Richter
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/II_319.html)