Von Jean Paul an Christian Otto. Hof, 7. Juli oder Juni 1796.

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Brieftext

Wenn du wilt [!], gehen wir übermorgen so frühe als wir können,
d. h. als du meine Fracht eingewindelt hast. Ich danke dir sehr und
herzlich für deine eben so schön gedachte als gesagte Sentenz, der ich
das privilegium de non appellando gern ertheile. Welcher Kritiker
hat mir denn nur das \nicefrac {1}{16}tel genüzt, was ich dir verdanke? — Leider ist
der rügende Punkt über den Titel eben so richtig als — zu spät. —
Es freuet mich am meisten daß ich meine Absicht, die künftigen
Schlingen der unschuldigsten Lüge anzumalen, wenigstens bei morali
schen Gefühlen deiner Art erreichet habe: ich hätte beinahe die Oel
malerei mit einem Fingerdruk hinter der Leinwand zu einer erhabenen
herausgehoben und das gesagt, was besser errathen wird. — Die
Folgen der Schwangerschaft erräth unter 1000en nur mein linker
Nachbar. — Warum fällest du nie ein Urtheil von meinen über deine
Sachen? — Ich weis nicht, verdamst, verklagst oder vertheidigst du
sie. — Zu den Köhlerischen wil sich heute bei mir kein sonderlicher
Lust [!] einfinden, da das Wiesenfest — worauf sie noch dazu vielleicht
selber sind — und der Abschiedsbesuch bei Herold mir die Hände und
Füsse binden und nehmen.


[ Hof ] d. 7 Jul. [vielmehr Juni] 96 [Dienstag].

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 2. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1958.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: Berlin JP. 2 S. B: IV. Abt., II, Nr. 97. 203,31 eingewindelst 204,5 mit einemFingerdruk] nachtr. der der 8 von] aus über

Die Monatsangabe am Schluß ist offenbar ein Versehen. Vgl. den Schlußvon B: „Sage mir ohngefähr morgen früh, wann du abreisest, damit ichmich darnach richten kann.“ 204, 1–8 Otto hatte in B gemeint, der Titel des Siebenkäs — „Ehestand, Tod und Hochzeit“ — verrate zuviel undmindere die Überraschung; wenn der Leser durch den Brief des SchulratsLenettens Schwangerschaft erfahre (I. Abt., VI, 516,6), ahne er gleich denAusgang (Lenettens Tod, der Siebenkäs’ Vereinigung mit Natalie er- möglicht). Gelobt hatte er „die Schilderung der heimlichen Gemütsstimmung Siebenkäsens, die von den vielfältigen Schwierigkeiten undVerwicklungen, in die ihn die Verstellung gebracht hat, und von den(vielleicht oft unbewußten) dilatorischen Einreden des Gewissens herkommt, und die, wie unabsichtlich unter die Begebenheiten verstreuet,den Leser unwiderstehlich befängt, spornt und spannt“. Der linkeNachbar ist natürlich Otto selbst, der damals neben Richter wohnte. 10 Vgl. B: „Wir gehen Abends zu den Köhlerischen.“

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/II_330.html)