Von Jean Paul an Wilhelmine von Kropff. Hof, 30. Januar 97 bis 3. Februar 1797.
Brieftext
„Gnädige Frau“,
d. h. ungnädige — kurz es ist der Gegensaz der „theuern Freundin“.
Aber theuere Freundin, Sie sind gewis doch noch die meinige
und wissen
dem Schweigen eines Menschen, dessen
Denkungsart Sie aus seiner
Feder und seiner Gegenwart
kennen, Ursachen zuzuschreiben, die mir
Ihr schönes
wohlwollendes Herz nicht nehmen. Meinen Fehler ent
schuldigt am besten seine Wiederholung. Der Fr. von Krüdner schrieb
ich nach — Bayreuth, weiter nicht,
sie aber einmal aus Konstanz,
einmal aus Lausanne an mich
— unserem guten Ahlefeld hab’ ich
seit seiner Abreise aus Bayreuth nicht geschrieben. Der
lieben Kalb in
Weimar seit Monaten nicht. Bei Gelegenheit! welche schöne
Drei
faltigkeit von 3 Personen in 1
Gotheit der Freundschaft hab’ ich,
die immer mit K anfängt, Kropf, Kalb, Krüdner.
— Eigentlich sind
Sie mir einen Brief schuldig: denn ich habe den
lezten geschrieben;
und ich habe noch keine Antwort darauf
bekommen als — die frohen
Minuten und ½ Tage bei Ihnen und
die Schönheiten, die ich in
Ihrem Spiegel sah, wenn ich bei
dem Frisieren hinter Ihnen stand und
das sehende Gesicht
mit dem gesehenen verglich. —
Ich wünschte, ich hörte und sähe Sie über mich zanken: wenigstens
meine Augen gewönnen, und zulezt die Ohren. Ich kan nicht
sagen,
vergeben Sie: denn Sie gehören nicht unter die
Personen, an denen
man sich zu versündigen wagt: sondern
ich sage, errathen Sie; und
sein Sie so nachsichtig gegen
den unveränderlichen Freund Ihres
Herzens und
Geistes als er vol Liebe gegen beide ist. Leben Sie wohl
und immer so froh als man es neben den Blumen Ihrer Stikrahmen
und Ihrer Reize ist.
Indem ich nach Ihrem Briefe einen an unsern Ahlefeld beschlos,
dem ich auch ein langes Verstummen abzubitten habe: schikt
mir der
Zufal die Gelegenheit zu einem Postskript. Ich habe
nun ausser der
vorigen Bitte um Vergebung noch eine zweite
um Hülfe zu thun. Es
betrift die arme
ÜberbringerinDie Überbringerin lies ich nicht nach
Bayreuth, um der Armen das Geld und
die Ermüdung und ihrem Kinde den Katarrh zu
ersparen.
dieser Blätter. Ich habe mich als
Vorbitter für diese Verlassene an den H. Obrist Lieutenant gewandt,
und ich bitte Sie, was noch besser ist, die Vorbitterin zu
werden. Die
getäuschte Juliane (ihr Name ist romantischer
und schöner als ihr
Schiksal) wurde von einem Soldaten
verführt, er nahm ihr die
Unschuld und die Hofnung und lies ihr nichts als die Armuth
und —
sein Kind. Da er jezt eine andere heirathen wil, so
bittet sie bei der
Gerechtigkeit blos um seinen Beistand zur
Erhaltung ihres Kindes.
Den übrigen und längern Theil dieser
Geschichte können Sie aus
meinem Brief an Ihren H.
Gemahl ersehen.
So vergiesset immer unser Geschlecht keine Thränen als fremde und
verdient, stat das stärkere, das härtere zu heissen, und das
andere, stat
das schwächere, das zärtere.
Weiter sez ich nichts dazu: die Gerechtigkeit Ihres H. Gemahls und
Ihr weiches liebendes Herz bedürfen stat der Bitte
nichts als den
Gegenstand, der beides verdient.
Leben Sie wohl, wohl! Und heben Sie die Strafe Ihres Schweigens
auf!
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/II_517.html)