Von Jean Paul an Johann Georg Jacob von Ahlefeldt. Hof, 30. Januar 97.
Brieftext
Mein nie Vergessener,
Eben leg ich den 1
ten Brief an unsere Kropf
nach einem ¼jährigen
Schweigen weg und fange diesen an. O Guter, wie kontest du
meine
epistolarische Zungen-Apoplexie einer andern
Ursache zuschreiben als
meiner litterarischen Superfötazion
und auch einem unnachlas
lichen Briefwechsel? — Der lieben Kropf, der
lieben Krüdner, der
lieben Kalb, 3 geistigen Grazien mit
Einem Inizial-K antwortet’ ich
wenig oder nicht oder nichts. Nim meine Bücher für Briefe.
Ich kan
mich gegen dich niemals ändern, auch wenn du
dich gegen mich
ändertest: in den Flügeln deiner Seele sind
nicht nur unschuldig
weisse, sondern auch zugleich lange
und schimmernde Schwung
federn. Wir alle in Hof haben dich fortgeliebt. Du, mein
reiner, treuer,
edler, kräftiger Ahlefeld, kömst nie aus meinem — Gedächtnis
nicht
blos sondern auch aus meinem — Herzen: ich
werde d. h. ich mus dich
immer lieben, so lang auch mein
Schweigen dauerte oder wieder dauern
wird. Die Ostermesse sei
mein Briefträger für dich! — Lebe wohl!
Aber wie kanst du es, Guter, wenn Andere nicht eben so wohl denken!
Und doch mus irgend ein Irthum deines exoterischen Lebens oder
Scheins dir den
Widerspruch mit deinem esoterischen Gehalt zu
ziehen: du verdienst so viel und bekömst
so wenig, entweder dein Schein
ist zu exzentrisch oder dein
Berlin zu — lasterhaft! Lebe wohl, wohl,
wohl, Guter, Unvergeslicher! —
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/II_516.html)