Von Jean Paul an Friederike Auguste Sophie. Hof, 17. Juli 1797.
Brieftext
Hätte Ihre Liebe und Ihr Zeichen derselben meine Seele weniger
bewegt: so würd’ ich Ihnen besser von der niedlichen bunten
Hülse,
die die steinigen schweren Kerne unsrer kleinen
Freuden und Plagen um
geben sol,
vorzusprechen wissen. Ich schweige über den nur grössern
Blumenstaubbeutel, das doppelte Zeichen der Güte und der Kunst, weil
mich jede Zeile mit der Almacht eines hohen einfachen
Herzens
innigst rührt. In meinem vergeht die
mänlich-starke und weiblich
schöne Sprache
des Ihrigen nicht. Warum zeigen Sie mir blos den
Buchstaben
von sich, womit die Algeber eine unbekante Grösse be
zeichnet? Möge irgend ein guter Genius die
Wolken, aus denen Sie
mir Ihre Hand mit der Gabe reichen, aus
einander schlagen und mir
den Engel enthüllen. Ihr Geschlecht
und Ihr Werth weissagen mir das
gewöhnliche Schiksal, daß ein
solches Gewächs eines wärmern Klimas
mit Stam und Wurzel
draussen im Winter der Wirklichkeit steht und
nur mit einigen
ins Treibhaus der Dichtkunst und der andern Welt
hineingezognen
Zweigen blüht. Wunsch, daß alle Ihre Blüthen ihren
Frühling und
Ihre Früchte ihre Sonne finden. Der innere Mensch
findet alles
was er braucht in der Hofnung und in der Tugend und wenn
er mehr oder in der Wirklichkeit sucht, findet er nur Wunden. O schönes
Herz, das Schiksal wende deine ab und fülle dich blos mit
geliebten
Gestalten.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/II_661.html)