Von Jean Paul an Amöne Herold. Hof, 22. August 1797.
Brieftext
Amöne!
Ich dachte heute an Ihre jezige Einsamkeit und an meinen ewigen
Abschied von Hof. Ist er einmal genommen, so dekt der Kontrast
zwischen meinen verbesserten Verhältnissen und zwischen
den jezigen
leider einen Schleier, oder eine Nacht über alles.
Aber ich möchte
nicht mit einem zugeschlossenen Herzen von
Ihnen gehen, dessen
Erinnerungen nicht den Ihrigen
gleichen.
Ahlefeld würde über den Zufal des 22 August erfreuet sein, wenn
er ihn wüste. Ich dachte gestern schon oft an heute,
wenn ich auf Ihrer
Gestalt neben dem Wiederschein der
Gegenwart den Schatten der
Vergangenheit aufsuchte, und mit
dem heutigen Tage alles verglich,
was Sie je verloren und
gewonnen haben — ich dachte auch daran
daß wir uns zum lezten
male in dieser Nähe und Verbindung Ge
burtstags-Wünsche schikten — ich dachte daran mit welchen
leeren,
kalten Zwischenräumen eine lange vorübergerükte
Vergangenheit
hinter uns steht und wie fern und wie nahe
zugleich wir uns noch
immer bleiben — und wie die Wünsche des
Menschen lügen.
Ich gebe Ihnen meine Hand beinahe mit der Empfindung, womit
ich sie Ihnen zum lezten male geben werde und sage: immer
bleibe
Ihrem Herzen Ruhe und Liebe und es merke nie, wenn
ein anderes
scheidet.
Ich sehne mich unbeschreiblich nach Ihnen, und wir wollen noch
einmal lange einsam und entscheidend mit einander sprechen. Ich
werde überal sein, wo Sie sind, bei Ihrem H. Vater, bei unserm
Otto
oder in Hofek, oder wo Sie sonst sind, oder hinwollen. Ich
bin und
bleibe unverändert
Jean Paul
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/II_683.html)