Von Jean Paul an Emanuel. Hof, 9. September 97.
Brieftext
Guter Emanuel,
Eben schikte mir Renate Ihren Brief. Nur der Wolkenschlagbaum
hielt mich auf .... (Und eben jezt hielt mich wieder im
Schreiben
ein stat Blüten und Blätter, Tücher und
Bänder tragender Baum auf,
der auf das neue
Herold[ische] Haus gestekt wird und den
sie jezt in
meines eintrugen.) Sobald sich wenn nicht der Himmel, doch
der
Barometer ändert, so fahr’ ich hinaus und meine Tasche
ist mein
Mantelsak. Den 24ten mus
ich wieder hier sein, weil ein Fremder mit
seiner Fremdin aus Halberstadt mich besuchen wil, den
ich mit meiner
Reise bis zum 24., aufhielt. Dauert das Aprilwetter zu lange:
so
komm’ ich lieber nach dem 24ten um freier bei meinem zu zärtlichen
Freund zu bleiben. Hier haben Sie mein Ehren- und Herzenswort.
Ihre Seele ist ein Beweis meines Sazes, daß die Jahre immer
mehr
Erde von dem h. Feuer der Empfindungen wegheben
und es befreien.
Aber dieses Feuer, mein Theurer, äschert oft
das Herz ein, das es
umschliesset; und Sie werden nach einigen
Jahren abwechselnd Frost
und Brandsalbe
nöthig haben. — Hier in Hof liebt mich ausser Otto
niemand so wie Emanuel: Sie haben hier Irthümer — ich gehe
zu
weich, verschlossen und mit voller Brust herum,
nicht in der Stadt
sondern um die Stadt — ich sehe wenige — Es
ist Zeit, daß ich scheide;
oder vielmehr ich bin schon
geschieden. Denn leider foder’ ich so viel
von ihnen als wenn
es — Fremde wären; und da sie keine sind: must’
ich die
reichere Gabe bei Fremden suchen.
Leben Sie wohl, mein Lieber! Einen alten Überrok brauch ich bei
Ihnen, weil ich nichts mitbringe als was ich anhabe (um das ab
scheuliche Passen auf die Post und die Abhängigkeit von
langen Vor
aussagungen nicht zu haben).
Leben Sie wohl! Ihre Liebe ist grösser
als mein Werth!
Sontags: heute Nachmittags reis’ ich, morgen Nachmittags bin
ich bei Ihnen
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/II_696.html)