Von Jean Paul an Johann Siegfried Wilhelm Mayer. Berlin, 28. März 1801.
Brieftext
Lieber Herr Vater! Mein frohes Ja auf Ihren lezten Brief ist ganz
schon durch die Wünsche meines vorigen ausgedrükt. Zu dem
Herbei
schaffen der Zeugnisse hab’ ich
gerade noch Zeit. Was aber den lezten
Punkt, das Interimslogis
betrift, so würden mich schon „die konven
zionsmässigen Besuche“ von denen Sie sprechen, — auch wenn die
Unmöglichkeit eines doppelten Haushaltens, Aus- und Einpackens und
Verzögerns einer festen Bestimmung nicht wäre — unmittelbar
den
ersten Tag nach dem Feste davontreiben, da nichts
meinen Grund
säzen, meiner Gesundheit, und
meiner Zeit mehr entgegen ist als das
Tantenzeremoniel des
Besuchmachens und -Annehmens. Erst heute
fiel mir eine
Ausgleichung zwischen meinen Wünschen und meinem
Visiten-horror ein, nämlich den Tag nach der Trauung nur bis
Potsdam zu gehen und da vor dem schönen stillen
Angesichte der Natur
die schönste Zeit des Lebens zu feiern. Ja es wäre am besten,
sogleich
nach der Trauung hinzueilen und sich dem lästigen
Gewühl der mehr
drängenden als erfreuenden Zuschauer zu
entziehen. Warum sol man
sich das innere Fest durch das äussere
stören lassen? — Ich hoffe, Sie
sind meiner Meinung, die
ich, wenigstens in Beziehung auf das Visiten
Hausieren und Interims-Haushalten nie aufgeben kan. Leben Sie
wohl und vergeben Sie meine Aufrichtigkeit.
J. P. F. Richter
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/IV_105.html)