Von Jean Paul an Christian Otto. Berlin, 30. März 1801.
Brieftext
Dasmal schreib’ ich dir nur meinetwegen und kurz, weil du einen
BriefIn dem an Friederike
stekt der an den Superint.
nach Wonsiedel befödern solst, damit er meinen
Taufschein
hole, den ich jezt brauche, um meine Caroline in die Witwenkasse
einzukaufen. Ich sezte nach meiner Sitte gar kein jeziges Vermögen
voraus, sie erbte aber
von ihrer neulich gestorbnen Mutter 2,000 rtl.
Über dieses einzige Wesen mus ich
einmal einen ganzen halben Brief
schreiben. Sie und die Krüdner sind Seelenfreundinnen und jede
vergöttert die andere. Die Kr. ist
entschieden eine rein religiöse Frau
bis zur Virtuosität
„der schönen Seele“ im Meister. — Nach Bayreuth
zög’ ich, fals meine Schöpf- und Saugwerke — wozu auch die Kr.
gehört — mir ein Kanonikat vom Könige vorhöben. Ich habe,
von
der Königin an, eine ganze arbeitende Weiber-Suite; es ist
aber viel
leicht jezt keine Expektanz dazu offen. —
In deinem Bau-Anschlag
rechnest du offenbar auf einen zu grossen
Fus; was kümmern mich die
Menschen und der Möbeln- und
Visiten-Schein? Ich wil frei und
zynisch leben; und meine gute
C. ist überal so philosophisch als ich nur
wil. — Du hast hoffentlich meinen Brief von der aufgehobnen
Exe
kuzion bekommen. — Der arme Herold! oder vielmehr die armen
Kinder! (Denn die Söhne sind keine) Aber am 3maligen Sehen
ist
er schuld; er kam nicht; ja er kam nur zufällig zu mir, weil
er nur
Ahlefeldt aufsuchte; und dem Manne ohne alle Liebe werd’ ich
keine
entgegentragen. — Über die Berlepsch
irrest du; nur dieser Man kan
sie beglücken. — Schreibe doch, ich bitte dich, unter
deine Aufsäze den
Namen, damit du auch
im Lande bekant wirst; und verlange das
Honorar vor dem Druk. — Fichtens Vorwurf des Nichtverstehens
mus eigentlich im Stillen jeder Pilosoph seinem Gegner
machen;
denn sonst müst’ er ja diesem folgen. — Meine Gräfin
S[chlabren
dorff]
ist heute fort nach Leipzig; in Meiningen wird sie für mich
einrichten. Ich hab’ ihr hier manche edle und kräftige
Freundin ans
Herz geführt. — An meinem Geburtstag brachte mir
morgends um
6 Uhr die Gräfin mit C.
Rosen-, Hyazinthen- und Maiblumenstöcke,
Mayer und die Krüdner schikten mir
eine Tasse; Mit- und Nachmittags
wurde in Charlottenburg mit
jenen gefeiert. C. ist in der Natur eine
Heilige und nachher überal.
Befördere mir die Wons[iedler]
Antwort bald zurük.
Lebe wohl! Vergieb den ungesalzenen Wassersuppenbrief. Die liebe
Amoene und den Juden den einzigen grüss’ ich sanft. —
Ich arbeite wie ein Pferd.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/IV_106.html)