Von Jean Paul an Emanuel. Meiningen, 6. März 1803 bis 7. März 1803.

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Brieftext


[ Meiningen ] d. 6. März 1803.

Auf mein den 11. pass. abgelaufenes dunkelblaues Couvert habe
zwar noch keine Antwort, wil aber hier doch wieder schreiben, um dem
Kammerrath Holdefreund — bei dem Thieriot logierte — einen
Gefallen zu thun. Hundert und einige Gulden ist ihm nämlich Anton
Meinel in Wonsiedel für schwarzen Barchent schuldig, welcher schon
seit geraumer Zeit verstorben ist, nämlich der Meinel. Vergeblich
mahnte ihn H. in Kriegszeiten; die Wiener Bank, schrieb er zurük,
sei ihm 8000 schuldig und er kriege noch nichts. Die Witwe schreibt
leztlich dem H., seit jener todt ist, 8000 Schulden wären da und nichts
zu kriegen. H. wil nun gern durch die 19te Hand wissen, ob’s wahr ist
oder vielmehr einen rechtschaffenen, wenigstens unpartheiischen
Advokaten in Wonsiedel vorgeschlagen haben, der alles an- und
verficht. Ich bitte Sie oder Otto, ihm in W. einen detto zuzuweisen
durch mich.


Da ich warlich jezt nichts zu schreiben habe als eine Antwort auf
Ihren Brief, der freilich erst nachkomt: so laufe sie voraus. Sehr
erfreuet mich in Ihrem (künftigen) Schreiben die Nachricht des ab
gegangnen Biers; denn bei mir ists auch abgegangen und ich noch
nicht nach Coburg. — Wir leben hier so dum fort, die Augen auf
den Frühling und auf Emma, die sehr fet wird. — Ich schreibe
fürchterlich viel am neuesten Werk. — Der Winter lies mich leicht
durch seine eisigen Spiesruthen laufen, fast ohne Wunden. Ich bin
noch immer der vorige scherzhafte Man. — Unser Logis in Coburg
ist götlich und Ihre Frage in Ihrem lezten kommenden Schreiben
damit beantwortet. — Ja wohl haben Sie über die Bayreuther Recht
und Ihr Wort ist so wahr: „sie taugen besser zu Käufern als zu
Waaren.“ Aber, Freund, sind irgendwo die kleinen Städte anders,
oder überhaupt die Menschen? quaestio. — Über die Stelle auf
der lezten Seite: „wenn Er etc.: so hat Er mit Recht“ reden wir
mündlich. — Kein Mensch hier begreift meine Abreise; denn ich bin zu
höflich und man wil mich lieber für unvernünftig halten als sich für
trocken. — Auf Ihre Frage diene zur Antwort: nicht nur der ganze
März bleibt kalt-blau, sondern auch viel vom April, nämlich ⅔ oder
gar ¾.


Drei Stunden später.

— Warum passet denn ein Mensch auf einen Posttag, um zum
andern zu sagen: bester Emanuel! Ich wil nicht passen; und C. sage
hinter her d. h. hinter mir was sie wil. — Kurz guten Abend! Mein
Alter! In Coburg (sonderbar, daß Coburg und Caroline mit Einem
Buchstaben anfangen!) sollen Sie besser behandelt werden als hier
— nicht reichlicher — und mein C. dazu (wieder ein C., das aber
Christian bedeutet). Herzlich freu’ ich mich, ihn an meinem Tischtuch
zu haben, den ich nie daran hatte, nur er mich an seinem. Am besten
wär’ es, Ihr beide zugleich, es wäre Ein Aufwaschen — — für meine
Lore, die eine Pfartochter ist wie ich — Ich bin heute seelig, mitten
im Schreiben, Rak-Thee-Trinken, neben meiner C., sehr halb bei
Verstand und ewig Ihr — Ihrer.


d. 7. M.

Da am Ende die Fracht wohl dieselbe ist: so könte ja ein Bayreuther
Einspänner kommen. — Ich schrieb gestern, wie ich eben lese, mit und
bei einigem Feuer. Guten Morgen.

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 6. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1952.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: SBa. 6⅓ S. 8°. Vermerk Emanuels: 24ten Merz beantw. (nichterhalten) K: Eman. 6 — J: Denkw. 1,124×. 204, 18 dunkelblaues] aus dunkles blaues H 24 in Kriegszeiten] nachtr. H 26 leztlich] aus nun H 29 an-] davor gestr. angreift H 205, 13 mit Recht] nachtr. H 16 diene] aus dienet H 17 kalt-blau] aus blau-kalt H nämlich bis 18 ¾] nachtr. H 19 nachtr. H 30 Rak-] nachtr. H

Im vorletzten Absatz wird die Schrift immer betrunkener, im letztenwieder nüchtern. 205, 29 Lore: s. 161,11 .

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/IV_351.html)