Von Jean Paul an Theodor Conrad (seit 1801) von Kretschmann. Coburg, 2. Juli 1803.
Brieftext
Ihr liber tristium ist auch ein Buch der Seeligen und
Verdamten —
ist die vertiefte Arbeit von der erhabnen Ihres thätigen
Lebens. —
Dokument, das Sie so kalt wie ein Hofmarschal
präsentieren oder wie
einen Wechselbrief der Wahrheit. —
Lassen Sie lieber errathen
als anstossen. Ihre
Riesensache habe nur Schleier — Sappier
arbeiten unter dem Boden, den man befruchten wil —
[des] Volks
schrekhaftes Auffahren über Neuerungen, weil es den Gang des
Staatswagens vor Staub nicht sehen kan, der ihm gerade zuerst auf
die Brust fält, und weil es gleichsam am weitesten vom
bewegenden
Hebel- und Zentralpunkt entfernt, auch
jede Bewegung in grössern
Bogen und Wirkungen sehen mus (denn
Eine Verodnung wirkt auf
100 Adeliche und 10000 Bürgerliche)
und weil es, wenn Gebildete
irren und täuschen, welche das
Ideal-Prinzip und das Handeln dar
nach
kennen solten, zu entschuldigen ist mit seiner Unbekantschaft damit
und mit dem leider
monarch[isch]
richt[igen] Glauben, daß hohe
Aemter gleich seinen tiefen nur einsammelnde Klingel-, nicht be
wahrende Herzbeutel und daß man darin nur körperlich ernten, nie
geistig säen wolle. Wie sol es auf der niedern Gasse
überschauen, wenn
es andere Menschen auf hohen Posten nicht
thun — Sie verlieren
durch Worte, was Sie durch Fakta gewinnen
— Verzeihen Sie meine
Freimüthigkeit, es ist die beste
Art, die Ihrige zu ehren und nach
zuahmen
— Spuren meiner Eile, welche, die Spur ausgenommen,
wieder der
Ihrigen nachfolgt.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/IV_385.html)