Von Jean Paul an Emanuel. Coburg, 19. Januar 1804 bis 21. Januar 1804.
Brieftext
Mein lieber Hiob! wenn Sie nämlich auch dessen Geduld haben.
Ich schreibe diesen Brief voraus, weil ich nicht weis, ob
ich einen
Schub- oder einen Pferde-Kärner bekommen. Wär’ es
lezterer, was
ich im Postskript erst sagen kan: so
bitt’ ich Sie kein Geld zu schonen
— auch mir Auflade
Gebühren etc. anzuschreiben —, ja ihn auf meine
Kosten
lieber 1 Tag warten zu lassen, um ihn ganz zu beladen.
Johann[iter],
Bayr[euther],
Brand[enburger], alles ist mir zu 1,
zu 2,
zu 3 recht. Nur wünscht’ ich an die Fässer, die sogleich abgezogen
werden
müssen, ein kleines Zeichen. — Glauben Sie denn, daß ich
Ihren Brief mit den Muf Belustigungen nicht sogleich geschikt hätte,
wenn er wäre zu finden gewesen? Briefe nämlich, die ich für
Sie auf
hebe, liegen im Repositorium;
andere, d. h. Ihre kommen ins Brief
kästgen, worin (bis ich Faszikel wieder daraus mache) zwar alles
leicht zu finden ist, nur nicht etwas. Aber verloren geht nichts. — Ich
halte jezt
die Bayr[euther] Zeitung mit, um das
Intelligenzblat mit
zulesen, weil ich mit Lust bekanten
Namen begegne. — Erlaubt es
das Gewissen und Thieriot
nicht, daß ich zuweilen ganze Briefe von
ihm bekomme oder alle? — Und ist Ihnen mein Brief-Dessert
recht,
das ich Ihnen neben jedem Brief-Gericht
von mir auftrage? —
Adelbert war sehr gefasset — wie er
denn auch fassend ist — und legte
auf seine Bienen-Wunde den ökonomischen Mist. Als ich
sagte, daß
blos die 2 weiblichen Seelen gewis am tiefsten
gebogen wären: so
fiel er mir bei und erklärte sich den mehr stoischen Stand
der mänlichen
daraus, daß diese weniger an den Vater gewöhnt gewesen. —
Noch
einmal geh’ ich nach Meiningen und Weimar; dan nie mehr, nie.
Der
blosse Rinaldo, oder der D[oktor]
ist mir jezt lieber, — ja schon des
Grossen Stube — als der Gesamt-Parnas da. Auch meine
Gesund
heit muste ein wenig mittrauern. Was Er
als Geist mir war, das war
Er vielleicht niemand so; und ein
hübsches Stük meines Innern und
Lebens wurd’ ihm mit
in den Sarg gegeben, und ich kan einmal mein
Parzial-Grab
besuchen. Himmel! wie schön wäre das Leben, wenn die
Natur
die Menschen nach Schlägen fälte, allemal nur einen Pak
Freunde! In der Ehe ist es ein bitterer Gedanke, die
Gewisheit, den
höchsten Schmerz einmal entweder zu geben
oder zu empfangen. —
Wangenheim hat seinen einzigen Sohn verloren und seinen
halben
Vaterhimmel.
Es ist meine Pflicht, Sie nicht lange in vergeblicher Mühe oder
Sorge zu lassen, sondern Sie zu benachrichtigen, daß ich
erstlich nicht
recht einen Einspänner kriegen konte
und zweitens wahrscheinlich noch
schwerer dessen Her-Fracht
und drittens auch keinen Schubkärner von
mehr als 1 Eimer.
Ich warte daher — eh’ ich leztern mit einem
Ziehschlitlein
sende — bis einiger Schnee zu lezterem da ist, um so
mehr,
da das Kretschm[ansche]
Bier in Rüksicht der Stärke treflich
ist, die mir freilich nie den Geschmak ersezt. Doch
bleibt Ihnen un
verwehrt, mir so viele
Keller zuzuschicken als Sie zufällig Fuhr-Räder
dazu
finden, oder so viele aufzuheben als Sie schon angeschaft. Ver
geben Sie mir die Noth, in die ich Sie
etwa solte gesezt haben durch
meine. Adio, Lieber!
N. S. Wie die Ministerin meiner Frau sagte, sol der Minister
über meinen Wasser-Fal sehr erstaunt und in sich gegangen
sein. Blos
die Doppel-Sünde — wenn nämlich jemand auf der
Strasse auf beiden
Seiten sündigt — ich weis die Sache
nicht recht delikat auszudrücken —
kurz wenn ein Mensch
dabei nicht steht — das wäre seine Gesezes
Meinung, erklärt er jezt das Gesez. Und es kan also sein,
daß ich den
Koburgern wenigstens auf der Seite durch die meinige, mehr Pres-
Freiheit erworben hätte — oder mir gar den Thaler zurük.
Indes
sind das noch Sachen, welche erst durch die Zeit
ins Reine und aufs
Trokne gebracht sein wollen. Auch ist
jezt Landtag; und vieles möglich
und unmöglich.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/IV_443.html)