Von Jean Paul an Emanuel. Coburg, 29. Juli 1804.
Brieftext
Ihre letztern Briefe, Guter, kamen immer gleich nach
Abgang
der unsrigen an; so Ihr Fünfgulden-Brief. Es gibt
eine mittlere
Temperatur, die blos Abwesenheit aber nicht
Widerspiel der Wärme
ist, welche sich oft im Ganzen eines
Briefes fast unwillkürlich zeigt.
Dieses Ganze errath’ ich
schon als Dichter stets besser als meine C.;
und ich zeigt’ ihrs oft in den Briefen ihrer Minna. Aber warum soll
das Gefühl der Freundschaft nicht auch seine Jahrszeiten
haben,
ohne den geringsten Nachtheil
ihres ewigen Lebens und Blühens?
Ich sagte sonst oft zu
meinen Geliebtinnen: „könnt Ihr denn mehr ver
langen als Gott? Und doch denkt man oft nicht oder nur kühl
an ihn.“
Ein Freund kann nur wehe thun, wenn er gegen sich
selber sündigt;
alles übrige ist fliehender Irrthum. Spüren
aber wird freilich der
andere jedes Irren, allein nur als
einen physischen Unfall, und nicht
als moralischen
Stoß. — Was Sie von der Vereinigung von „Mild
und Wild“ sagen,
kann ich weder unter- noch vorschreiben; denn ich
hab’s schon
1000 etc. mal in meinen Romanen ja nachgeschrieben,
gesungen,
gepfiffen, gepredigt. Himmel, ich wollte Ihnen ja ein Lob
zuwerfen! — Ein Mann strebe zuerst, ein Mann zu werden, dann ein
Weib, endlich beides; die Frau verfahre umgewandt.
— Einen sonderbaren langen Karakter-Brief des Herzog v. Gotha
bring’ ich Ihnen mit; ich habe wieder geantwortet; das
Dedizieren
ist noch zweifelhaft.
— Wenn Sie gern die alte Mühe für uns haben wollen: so steht
sie Ihnen zu Diensten; wir brauchen nämlich zur Miethe (jetzt
muß
ich hinablaufen und C. fragen)
einen 1) Spiegel, 2) einen Weiszeug
3) einen Kleiderschrank und 4) eine
Bettstelle für die Magd.Töpfe werden wir auch wieder kaufen
müssen. Mich jammerte von jeherbei unsern Nomaden-Zügen nichts mehr
als das Zurücklassen der schönsten Tiegelund Töpfe. Dem
Himmel sei Dank, daß doch die Nachttöpfe von Zinn sind undzu
transportieren. Ich
meines Orts brauche blos einen
elenden altväterischen mit einer
Schublade versehenen Schreib- und Schmiertisch; (um Gottes
Willen keinen verfluchten zarten Sekretair von
Mahagony!) Kurz
einen Tisch, dessen sich der schlechteste
Kanzlist schämen würde. Ein
Wetterglas kauf ich mir in Bayreuth. Ich bleibe so lang’ ich lebe, der
alte Möbeln-Verächter, ausgenommen der bequemen Möbeln
wie
mein geschmackloses Kanapee ist; in 4 Wochen ist die
Augenlust
am schönsten Möbel vorüber und nichts bleibt übrig
als das laus deo
dafür. Ich kenne nur ein geschmackvolles, immer erfrischendes,
gut
fourniertes Möbel, die sogenannte Natur oder Erde. — Ich
werde
heute an meinen alten Thieriot noch schreiben.
Oktavian von Tieck
wird ihn so letzen als sei der Sie. — Nun bekommen Sie noch
den
brieflichen Valetschmaus von mir, noch 1 Brief, und dann
ists — Gott
weiß, auf wie lange Zeit oder Ewigkeit — mit dem
Briefstellen vor
über; und das
Billetstellen stellt sich ein.
Gute Nacht, mein alter, lieber Freund! Freilich könnte mich eine
krumme Mine von Ihnen einen Tag lang fortquälen, aber ist
denn
dieß nicht Liebe, ich meine nicht die Mine sondern die
Qual? — Er
harrend
R.
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/IV_488.html)