Von Jean Paul an August Leopold Emil. Coburg, 29. Juli 1804.

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Brieftext

Gnädigster Herzog,

Das Schreiben Ihrer Durchlaucht und dessen Bilderkabinet hat mir
eben so viele Freude als Mühe gemacht; zuletzt aber, da ichs ganz
verstehe, nur Freude. Was den Streitpunkt des Witzes etc. anlangt, so
behaupten Sie während Ihres Solotanzes blos, es gebe keine Be
wegung und Zeno habe Recht. Indeß glaubt jeder Weltkörper zu
stehen, ob er gleich fliegt.


Da Ihre Durchlaucht durch Ihre Mischung von Scherz und Ernst
mir die Erlaubniß gaben, Ihr Nein auszulegen und zu rangieren:
so hab’ ich die Meinung erwählt, welche mir die wolthuendste ist und
ich habe das Ganze für die schöne Erhörung meiner Bitte angesehen.
Doch ist immer noch Postzeit, mich durch einen ausdrücklichen Befehl
um meinen schönen Traum zu bringen. Indeß wär’ es Schade, da
in Deutschland ein solcher Gegenstand und eine solche Sprache unter
den Dedikazionen eben nicht gewöhnlich sind.


Ihre Durchlaucht theilen — wie es fast scheint — einen flüchtigen
Irrthum des mir ewig theuern Herzogs von Meiningen über mich,
welcher auf Kosten meines Herzens und Geschmacks zugleich einen
einfältigen Spaß im hiesigen Wochenblatte mir zuschreiben konnte.
Meine Seele blieb ihm so treu wie seine Gemahlinn — und Coburgs
Reitze machen eben nicht untreu.


— Außer etwa gegen Coburg selber; wenigstens vertausch’ ich es
in 14 Tagen mit Bayreuth. — Verzeihen Ihre Durchlaucht diese
Schreibseligkeit — empfangen Sie meinen Dank für Ihre Blätter
voll Blitze und Duft — erhören Sie meinen alte Bitte — und erlauben
Sie mir die süße Hoffnung, Ihnen nicht durch meine Denkungsart (die
Schreibart rechn’ ich nicht zu ihr) zu misfallen —


Cob. d. 29 July1804.
Ihrer Durchlaucht
unterthänigster
Jean Paul Fr. Richter

Textgrundlage

Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 6. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1952.

Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

H: Haus- u. Staatsarchiv Gotha. 4 S. 4°. K: Herzog v. Gotha 29 Jul. J: Freiheitsbüchlein S. 21× (I. Abt., XII, 11f.). B: IV. Abt., IV, Nr. 361. A:IV. Abt., IV, Nr. 362. 305,9 zuletzt] jetzt K 11 behaupten] beweisen K 12f. zu stehen,ob er gleich] stillzustehen, indem er K 16 gewählt K 26 blieb] war K 27 machen bis 28 selber;] .... J

In der überwitzig-verworrenen, langen Antwort des Herzogs heißt es:„Sie wollen wissen, ob ich eine Zueignung haben will? Dazu antworte ich mit Nein; aber ob ich das Überschickte sub Littera A. mit meinemAdmirations-A! beantworten werde, dazu sage ich Ja.305, 22–27 Nachden unklaren Anspielungen in den Briefen des Herzogs sollte man annehmen,daß sich der „Spaß im hiesigen Wochenblatte“ auf Jean PaulsBiervorliebe bezogen hätte, die bei seiner Übersiedlung nach Koburg eineso wichtige Rolle spielte. Ich habe aber in den damaligen „Coburgerwöchentlichen Anzeigen“ (vorh. in der Koburger Landesbücherei) nichtsderartiges gefunden. Am ehesten käme noch ein Abschnitt „Erzählungenund Anekdoten“ in Nr. 1 v. 9. Juli 1803 in Frage; es ist aber nicht ersichtlich, was der Herzog von Meiningen daran übelgenommen habenkönnte. Die Anzeige in Nr. 3 v. 21. Jan. 1804 über die Beförderung desRegierungsadvokaten Johann Melchior Alt, in welcher ein Artikel in den„Feierstunden“ (Sonntagsbeilage zum Koburger Tageblatt) v. 19. Dez.1886, Nr. 19, den Spaß finden will, kommt schon deshalb nicht in Betracht,weil der Herzog von Meiningen damals bereits gestorben war. Jean PaulsRechtfertigung war übrigens wohl weniger durch den Brief des Herzogsvon Gotha veranlaßt als dadurch, daß Auguste Schlichtegroll im Briefan J. P. IV. Abt., IV, Nr. 344 erwähnt hatte, Herzog August habe kürzlich zu ihrgeäußert, Jean Paul habe seinen Onkel (den Herzog von Meiningen)beleidigt.

How to cite

Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/IV_487.html)