Von Jean Paul an Erhard Friedrich Vogel. Hof, 15. Juli 1785.
Brieftext
Hochzuverehrender Herr Pfarrer,
Und hier würde noch iederman hinzusezen: verdamter Herr Ver
fasser der Raffinerien, der von den Synoden in der That mit
gar zu
wenig Schonung redet. — Denn in Hof weis ieder, daß Sie
raffiniret
haben und ich denke keiner, der hier dum ist, wird es billigen
können,
daß ein Priester, der blos glauben solte, zu raffiniren
wagt. Wie aber
ein Regent seine Münze mit Kupfer versezt, um
ihr die Härte zu geben,
die sie zum Umlauf tüchtig macht: so
versezt man alzeit die Wahr
heit
mit einigen Lügen, um sie zum Kurs besser zuzubereiten; man sagt
hier nämlich, daß Sie, der H. Pfarrer in Schwarzenbach und ich
—
eine Art von heterodoxer Dreieinigkeit
— die Raffinerien gezimmert
haben; indessen gelten Sie doch für den Hauptvater und einige
wissen
von dieser Tripelalliance
nichts. H. Maier, der Buchhändler, macht
iedem Käufer Ihres Buches weis, daß es in Ungarn
gedrukt worden;
z. B. dem H. Superintend. lies er diese Lüge sagen, da
selbiger es
neulich kaufte. — Ich habe von demselben bis iezt nichts lesen
können,
als die kleinen Aufsäze, die mir (wie z. B. der über
die Ehescheidung)
in Rüksicht des Gehaltes und des Tones
vortreflich vorkommen: denn
ich gebe es überal zum
Lesen herum; Örthel bekam es zuerst und iezt hat
es H. Trogenprediger Müller.
Mich dünkt, Sie würden die Pfar Selb wol bekommen haben; allein
Sie hatten — und daran sind Sie schuld — sie verdienet.
Selten wird
man einem Manne eine Beföderung abschlagen, von
dem man gewis
weis, daß er ihrer nicht werth ist; zum
Unglük war aber dies eben der
Fal bei Ihnen nicht. Man steigt glaub’ ich zur Ehre und zum Reich
thum hinauf entweder auf Galgenleitern, oder auf geheimen
Treppen, oder auf Sturmleitern (mit Gewalt) aber
selten auf
dem Gradus ad Parnassum.
Sie hatten wahrscheinlich nur diese
leztere Leiter
anzulehnen und deswegen stehen Sie noch unten.
Ich hätte beinahe vergessen, Ihnen für das Geschenk Ihres Buches
schriftlich zu danken; aber ich werde nicht vergessen, Ihnen
dafür
thätiger zu danken, wenn ich Ihnen (aber nicht bald) selbst
ein Buch
von mir übersende.
Ich schikke Ihnen von den vielen Büchern, die ich von Ihnen habe,
nur einige; und wage Sie doch noch um folgende sehr zu
bitten:
unaufhörlich anschauen wil.
Dichtkunst.
Endlich glauben Sie nicht, raffinirender Freund, daß es Wilkühr ist,
wenn ich mir das Vergnügen, Sie zu besuchen, versage: sondern
Noth
wendigkeit ists. Ich bin in
Erwartung einer langen Antwort
How to cite
Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/I_109.html)