Von Jean Paul an Erhard Friedrich Vogel. Hof, 11. Juni 1785.

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Brieftext

[ Hof, 11. (?) Juni 1785 ]

P. P.
Hochzuverehrender Herr Pfarrer,

Ihren neulichen Brief zeugte ein sehr mislaunigter Augenblik: mit
nichts waren Sie darin zufrieden und mit Ihrem Buche sogar nicht.
Das arme Kind! Für Ihre Zufriedenheit kan es nur die Zufriedenheit
derer entschädigen, die es kennen lernen werden. Aber wenn komt es
zu mir? zu iederman geht es iezt, und nur mich schliesset es aus?
Zulezt raffinir’ ich über Raffinerien. Übrigens lassen Sie sich von einer
Täuschung nicht berükken, die nur zu oft den Autor gegen sein Buch
einnimt. Er wil nämlich sein Buch bei ieder Durchlesung schön finden,
die er doch vielleicht schon zum 10, 12ten male wiederholet. Allein keine
Schönheiten halten einen so häufigen Genus aus und das beste Buch
verliert für uns durch Wiederkäuung seinen Wolgeschmak. Glauben
Sie daher nicht, daß Ihr Buch, dessen Reize auf den Vater wenig
Eindruk machen, auch uns andere unempfindlich lassen müsse; wir sind
ia nicht der Vater, sondern die Liebhaber des Mädgens.


Sie hätten leicht errathen können, daß H. v. Örthel die A. D. B.
unter der Bedingung, die Bezahlung aufzuschieben, nicht annehmen
könne: da sein Wort so viel Ihnen sein kan, als der wirkliche Besiz
der D. Bibl., so mus es Ihnen gleichgültig sein, ob das Buch bei
ihm oder bei Ihnen wohnet, weil in beiden Fällen sowol der Kauf
gewis, als die Bezahlung aufgeschoben ist. Diese Antwort muste
ich wieder selber bei ihm abholen und gestern bekam ich sie.

Die Bücher, um die ich Sie bitte, sind:


  • A. Deutsche Bibliothek 59. Band.

  • Jerusalems Betrachtungen über die natürliche Religion.

  • Bako’s Versuche.

  • Die Fabeln des La Fontaine. Zweiter oder Dritter Theil.

  • Schröckh’s Kirchengeschichte. Vierter Band.

  • Lettres de Pompadour.

  • Gern vereinigte ich, wie Sie mir erlaubten, den Genus des Halb
    sommers mit dem Ihrer Geselschaft; aber nicht iedes Vergnügen ist in
    unsere Macht gestellet. Ersezen Sie mir daher Ihre Gegenwart durch
    einen längern Brief und söhnen Sie sich eben sowol mit Ihren Raffi
    nerien aus als mit Ihrem


    Freund und gehors. Diener
    J. P. F. Richter

    Textgrundlage

    Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 1. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1956.

    Kommentar (der gedruckten Ausgabe)

    H: Brit. Museum. 2 S. 4°; undatiert. K: An H. Vogel in Rehau den.. Julius [!]. J: Nachlaß 3,252× (6. Juli). B: IV. Abt., I, Nr. 41. A: IV. Abt., I, Nr. 42. 166,10 mislaunichter K

    Datiert nach A; das Datum von J ist anscheinend willkürlich angenommen. 166, 33 Es ist wohl das zu Nr. 105 genannte Werk von Jerusalem gemeint; vgl. 195, 11†. 34 Fr. Bacon, „Moralische, politische und ökonomische Versuche“, Breslau 1762. 167, 2 „Lettres de Mme la Marquise de Pompadour, depuis 1753 jusqu’à 1762 incl.“, London 1771 (apokryph).

    How to cite

    Jean Paul - Sämtliche Briefe (statisch), herausgegeben von Hanna und Ronja, LaLe 2025 (https://acdh-tool-gallery.github.io/jean-paul-briefe-static/I_107.html)